Leitsatz (amtlich)

Die Entziehung der elterlichen Sorge gem. § 1666 BGB ist erforderlich, wenn eine Gefährdung des körperlichen, geistigen und seelischen Wohls des Kindes nicht anders abgewendet werden kann. Eine Gefährdung des Kindeswohls liegt dann vor, wenn die begründete Besorgnis besteht, dass bei Nichteingreifen des Gerichts das Wohl des Kindes beeinträchtigt wird oder eine, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr besteht, dass sich bei der weiteren Entwicklung des Kindes eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt. Dabei entsteht die begründete Besorgnis in aller Regel aus Vorfällen in der Vergangenheit.

Steht aufgrund des Verhaltens des Sorgeberechtigten in der Vergangenheit fest, dass bis zum Tag der letzten mündlichen Verhandlung eine solche Gefährdung bestanden hat, so reicht es nicht aus, um die begründete Besorgnis für die Gefährdung des Kindeswohles für die Zukunft zu beseitigen, dass die oder der Sorgeberechtigte erklären, sie/er sei einsichtsfähig und werde sich einer medikamentösen und therapeutischen Behandlung in der Zukunft unterziehen. Die bestehende Besorgnis der Gefährdung kann erst in der Zukunft entkräftet werden, wenn ärztlicherseits festgestellt ist, dass die beabsichtigte bzw. in die Wege geleitete medizinische Behandlung Erfolg gehabt hat.

 

Normenkette

ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 1, § 621e; BGB §§ 1666-1667

 

Verfahrensgang

AG Rheinbach (Beschluss vom 14.07.2003; Aktenzeichen 18 F 45/02)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 23.7.2003 gegen den Beschluss des AG – FamG – Rheinbach vom 14.7.2003 – 18 F 45/02 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

 

Gründe

Das von der Antragsgegnerin eingelegte „zulässige Rechtsmittel” ist die befristete Beschwerde gemäss §§ 621e, 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Die befristete Beschwerde ist zulässig, insb. frist- und formgerecht eingelegt worden (§ 621e Abs. 1, 3 ZPO). Zwar hat die Antragsgegnerin das Rechtsmittel an das AG Rheinbach gerichtet (vgl. Bl. 217 GA). Dieses war für die befristete Beschwerde nicht der richtige Adressat. Allerdings ist die Akte mit der unterzeichneten Rechtsmittelschrift beim zuständigen OLG am 1.8.2003 und damit noch rechtzeitig innerhalb der für die befristete Beschwerde geltenden Beschwerdefrist eingegangen, da der angefochtene Beschluss der Antragsgegnerin am 22.7.2003 zu Händen ihres Verfahrensbevollmächtigten zugestellt worden ist (vgl. Bl. 213 GA).

Die Berufungsbegründung entspricht auch noch den Anforderungen der §§ 621e Abs. 3, 520 Abs. 1 und 3 S. 1 ZPO. Da für die befristete Beschwerde § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO nicht gilt, sind die für das Berufungsverfahren einschlägigen Bestimmungen über den notwendigen Inhalt einer Berufungsschrift auf das Verfahren der befristeten Beschwerde nur bedingt anwendbar. Die knappe Form der Beschwerdebegründung lässt noch die von der Antragsgegnerin geltend gemachte Beschwer erkennen. Für die Zulässigkeit der befristeten Beschwerde erscheint es ausreichend, dass die Antragsgegnerin mit der Beschwerde die Verletzung des Rechts dahin rügt, dass das FamG die Voraussetzungen des § 1666 BGB zu Unrecht angenommen hat und dies knapp mit der Einsichtsfähigkeit der Antragsgegnerin in ihre Krankheit begründet hat. Ob diese Begründung in der gewählt knappen Form in sich schlüssig und ausreichend nachgewiesen ist, ist Frage der Begründetheit der Beschwerde und nicht ihrer Zulässigkeit.

Die zulässige befristete Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das FamG hat zu Recht der Antragsgegnerin die elterliche Sorge für ihren Sohn J.I. entzogen und die Vormundschaft des Kreisjugendamtes des Rhein-Sieg-Kreises angeordnet.

Die Maßnahme ist jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt erforderlich, um eine Gefährdung des körperlichen, geistigen und seelischen Wohls des Kindes abzuwenden. Eine Gefährdung des Kindeswohls liegt dann vor, wenn die begründete Besorgnis besteht, dass bei Nichteingreifen des Gerichts das Wohl des Kindes beeinträchtigt wird oder eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr besteht, dass sich bei der weiteren Entwicklung des Kindes eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt. Dabei entsteht die begründete Besorgnis in aller Regel aus Vorfällen in der Vergangenheit. Aufgrund des gesamten Verhaltens des Sorgeberechtigten muss Anlass zur Besorgnis bestehen. Die zu besorgende erhebliche Schädigung, die mit ziemlicher Sicherheit vorauszusehen sein muss, macht es erforderlich, in dem konkreten Fall das Kindeswohl zu definieren (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 62. Aufl. 2002, § 1666 Rz. 16–18 m.w.N.), und zwar unter Beachtung des Zwecks der Reglung des § 1666 BGB. entspr. dem Inhalt der elterlichen Sorge enthält die Vorschrift die Konkretisierung des staatlichen Wächteramtes von Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG und die Ermächtigung für staatliche Eingriffe in die Personen- und Vermögenssorge der Eltern im Interesse eines möglichst effektiven Schutzes des Kindes. Dabei ist eine verfassungskonforme Auslegun...

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