Leitsatz (amtlich)

Hat der Vater durch sein Verhalten erheblich dazu beigetragen, dass seine Kinder nach dem Tode der Kindesmutter jeglichen Kontakt zu ihm ablehnen, kann es gerechtfertigt sein, ihm das Sorgerecht (teilweise) zu entziehen, wenn die begründete Besorgnis besteht, dass bei Beibehaltung der vollen elterlichen Sorge beim Kindesvater das Wohl der Kinder beeinträchtigt wird oder eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr besteht, dass sich bei der weiteren Entwicklung des Kindes eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt.

 

Normenkette

BGB §§ 1666, 1666a

 

Verfahrensgang

AG Bonn (Beschluss vom 13.03.2003; Aktenzeichen 47 F 354/02)

 

Tenor

Die befristete Beschwerde des Antragsgegners vom 29.3.2003 gegen den Beschluss des AG – FamG – Bonn vom 13.3.2003 – 47 F 354/02 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

 

Gründe

Das als Widerspruch bezeichnete Rechtsmittel des Antragsgegners ist als befristete Beschwerde auszulegen. Der Antragsgegner will den Beschluss des FamG vom 13.3.2003 angreifen. Das hierfür zutreffende Rechtsmittel ist die befristete Beschwerde gem. §§ 621e, 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Die falsche Bezeichnung des Rechtsmittels schadet nicht. Vielmehr ist der Rechtsmittelschriftsatz des Antragsgegners dahin auszulegen, dass er das gegen den Beschluss gegebene Rechtsmittel einlegen will. Dies ist die befristete Beschwerde.

Die befristete Beschwerde ist zulässig, insb. frist- und formgerecht eingelegt worden (§ 621e Abs. 1, 3 ZPO). Zwar hat der Antragsgegner seinen „Widerspruch” an das AG Bonn gerichtet. Dieses war für die befristete Beschwerde nicht der richtige Adressat. Allerdings hat das AG das Rechtsmittel des Antragsgegners unverzüglich an das zuständige OLG weitergeleitet. Hier ist der „Widerspruch” des Antragsgegners noch innerhalb der Beschwerdefrist von einem Monat eingegangen.

Die zulässige befristete Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das FamG hat dem Kindesvater zu Recht die elterliche Sorge für die beiden Kinder J. und P. insoweit entzogen, als das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Bestimmungsrecht hinsichtlich schulischer Angelegenheiten sowie der Heilfürsorge auf das Jugendamt der Stadt B. (Antragsteller) in Form der Vormundschaft gem. §§ 1666, 1666a BGB übertragen worden ist. Die Maßnahme ist jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt erforderlich, um eine Gefährdung des körperlichen, geistigen und seelischen Wohls des Kindes abzuwenden. Eine Gefährdung des Kindeswohls liegt dann vor, wenn die begründete Besorgnis besteht, dass bei Nichteingreifen des Gerichts das Wohl des Kindes beeinträchtigt wird oder eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr besteht, dass sich bei der weiteren Entwicklung des Kindes eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt. Dabei entsteht die begründete Besorgnis in aller Regel aus Vorfällen in der Vergangenheit. Nicht ausreichend sind allerdings vereinzelt gebliebene Fehlhandlungen des Sorgeberechtigten. Vielmehr muss aufgrund des gesamten Verhaltens des Sorgeberechtigten Anlass zur Besorgnis bestehen. Die zu besorgende erhebliche Schädigung, die mit ziemlicher Sicherheit vorauszusehen sein muss, macht es erforderlich, in dem konkreten Fall das Kindeswohl zu definieren (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 62 Aufl., 2002, § 1666 Rz. 16–18 m.w.N.), und zwar unter Beachtung des Zwecks der Regelung des § 1666 BGB. entspr. dem Inhalt der elterlichen Sorge enthält die Vorschrift in Konkretisierung des staatlichen Wächteramtes von Artikel 6 Abs. 3 S. 2 GG die Ermächtigung für staatliche Eingriffe in die Personen- und Vermögenssorge der Eltern im Interesse eines möglichst effektiven Schutzes des Kindes. Dabei ist eine verfassungskonforme Auslegung dieser Norm geboten. In den Kern der Personensorge darf entspr. der Regelungen in § 1666 BGB unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Kinder auch bei unverschuldetem Versagen der Eltern von der Familie getrennt werden können, nur bei striktester Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingegriffen werden. Es gehört nicht zum staatlichen Wächteramt, für eine den Fähigkeiten des Kindes bestmögliche Förderung zu sorgen; vielmehr gehören die Eltern und deren sozioökonomische Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 62 Aufl., 2002, § 1666 Rz. 1, 18).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat zu der Auffassung gekommen, dass eine Gefährdung des Kindeswohles vorliegt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die betroffenen Kinder aufgrund der familiären Vorgeschichte derzeit nicht bereit sind, mit ihrem Vater, dem Antragsgegner, näheren Kontakt aufzunehmen. Dieser Umstand wird von dem Antragsgegner im Kern auch nicht bestritten. So hatte er sich aufgrund der eingehenden Erörterungen vor dem FamG im Termin am 13.3.2003 (vgl. Terminsprotokoll vom gleichen Tage, Bl. 15, 16 GA) auch zu der sodann vom FamG getroffenen Sorgerechtsrege...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge