Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterliche Sorge: Grundlagen der Entziehung des Sorgerechts durch das FamG bei Gefährdung des Kindeswohls

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Stützt das FamG seine Auffassung, dass eine Gefährdung des Kindeswohls vorliege, auf Erkenntnisse, die es aus Schilderungen der mit dem Kind befaßten Personen – insbesondere der Pflegeeltern und der Mitarbeiter der Kindertagesstätte – gewonnen hat, hat es dem Amtsermittlungsgrundsatz im gebotenen Maße Rechnung getragen. Bei diesen Erkenntnissen handelt es sich nicht nur um subjektiv gefärbte Beschreibungen von Drittpersonen. Sie sind daher zu Recht in die Entscheidungsfindung des Gerichts eingeflossen.

2. Auch wenn die kinderpsychologische Sachverständige die Mutter nach deren Weigerung insoweit in die Begutachtung nicht mit einbezogen hat, ist das Gutachten gerichtlich verwertbar, wenn die Sachverständige anlässlich der Telefonate mit der Kindesmutter Gelegenheit hatte, sich einen Eindruck von ihr zu verschaffen.

 

Normenkette

BGB § 1666 Abs. 1, § 1666a Abs. 1; FGG § 12

 

Verfahrensgang

AG Homburg (Beschluss vom 28.02.2008; Aktenzeichen 17 F 93/07 SO)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Kindesmutter gegen den Beschluss des AG - FamG - in Homburg vom 28.2.2008 - 17 F 93/07 SO - wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerdeführerin hat den übrigen Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

3. Beschwerdewert: 3.000 EUR.

4. Der Beschwerdeführerin wird die für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Prozesskostenhilfe verweigert.

 

Gründe

I. Der im Januar 2005 geborene, heute 3-jährige L. D. ist der außerhalb einer Ehe geborene Sohn der allein sorgeberechtigten Kindesmutter und des Kindesvaters, welcher die Vaterschaft in einer Jugendamtsurkunde vom 22.3.2005 anerkannt hat.

Das Kind ist auf Veranlassung des Kreisjugendamtes derzeit in einer Pflegefamilie untergebracht.

In dem durch eine Gefährdungsmitteilung des Kreisjugendamtes vom 29.5.2007 eingeleiteten Sorgerechtsverfahren hat das FamG durch den angefochtenen Beschluss der Kindesmutter die elterliche Sorge für L. D. entzogen, Vormundschaft angeordnet und das Kreisjugendamt des Saarpfalz-Kreises zum Vormund bestellt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kindesmutter, welche die Aufhebung des Beschlusses, hilfsweise die Zurückverweisung des Verfahrens zur erneuten Entscheidung an das Erstgericht begehrt und um Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nachsucht.

Sie rügt im Wesentlichen:

  • Gründe für die vom Gericht getroffene Entscheidung - Inobhutnahme - lägen nicht vor,
  • die Entscheidung sei geprägt von subjektiv begründeten Vorbehalten gegen die Kindesmutter und beruhe auf subjektiv gefärbten Beschreibungen von Drittpersonen,
  • das erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten sei nicht verwertbar, da es lediglich telefonische Kontakte der Gutachterin mit der Kindesmutter gegeben habe; in Verletzung der Aufklärungspflicht habe das Gericht die Zustimmung der Kindesmutter zu einer psychiatrisch/psychologischen Begutachtung negiert,
  • der Alltag des Kindes zusammen mit seiner Mutter sei nicht recherchiert und beurteilt worden,
  • die Kindesmutter habe ein Interesse an einem Umgang mit dem Kind bekundet, habe jedoch keinen betreuten Umgang haben wollen.

Der Kindesvater und die Verfahrenspflegerin des Kindes verteidigen die angefochtene Entscheidung und bitten um Zurückweisung der Beschwerde.

Das Kreisjugendamt hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

II. Die Beschwerde der Kindesmutter ist gem. §§ 621e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1, 621e Abs. 3, 517, 520 ZPO zulässig. In der Sache bleibt die Beschwerde jedoch ohne Erfolg.

Die auf der Grundlage eines - nunmehr - beanstandungsfrei geführten Verfahrens getroffene und auf umfangreiche Ermittlungen gegründete Entscheidung des FamG, der Kindesmutter gem. §§ 1666, 1666a BGB das Sorgerecht für L. D. insgesamt zu entziehen und die Vormundschaft des Kreisjugendamtes anzuordnen, ist bei der derzeit gegebenen Sachlage nicht zu beanstanden und findet die Billigung des Senats.

Eingriffe in das Recht der Personensorge wegen Fehlverhaltens des Sorgeberechtigten gem. §§ 1666, 1666a BGB kommen nur in Betracht, wenn das Wohl des Kindes durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes oder durch unverschuldetes Versagen der Sorgeberechtigten - etwa wegen Überforderung oder Ungeeignetheit der Eltern bei der Erziehung des Kindes (MünchKomm, BGB/Olsen, 4. Aufl., § 1666 Rz. 106, m.w.N.) - gefährdet wird, sofern die Sorgeberechtigten nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr selbst abzuwenden. Die Trennung des Kindes von den sorgeberechtigten Eltern darf darüber hinaus gem. § 1666a Abs. 1 BGB nur erfolgen, wenn das Fehlverhalten ein solches Ausmaß erreicht hat, dass das Kind in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist und dieser Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen begegnet werden kann (BVerfG FamRZ 2002, 1021; OLG Saarbrücken vom 2.8....

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