Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenerstattung bei Anwaltsbestellung im Berufungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Steht noch nicht fest, ob die Berufung durchgeführt wird, sind die Kosten eines vom Berufungsgegner sofort beauftragten Anwalts grundsätzlich erstattungsfähig. Anders ist dies zu beurteilen, wenn der Prozessbevollmächtigte der berufungsbeklagten GmbH gleichzeitig deren alleiniger Geschäftsführer ist und diese sowohl vorprozessual als auch in erster Instanz vertreten hat.

 

Normenkette

ZPO § 91

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 28.07.2011; Aktenzeichen 24 O 207/10)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.

Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 817,05 EUR.

 

Gründe

I. Im vorliegenden Rechtstreit war zwischen den Parteien die Verpflichtung der Beklagten zur Deckung aus einem Rechtsschutzversicherungsvertrag streitig. Die Klägerin hat in erster Instanz obsiegt. Gegen das Urteil des LG Köln hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 29.11.2011 Berufung eingelegt. Sie hat darin den innerhalb der Anwaltssozietät S. die Sache bearbeitenden Prozessbevollmächtigten der Klägerin, der gleichzeitig auch deren alleiniger Geschäftsführer ist, gebeten, von einer Bestellung zunächst abzusehen, da die Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens noch nicht abschließend geprüft worden seien.

Die Berufungsschrift ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 9.12.2011 zugestellt worden. Dieser fertigte noch am selben Tag einen Bestellungsschriftsatz und schrieb gleichzeitig an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten (dort um 11.12 Uhr per Fax eingegangen):

"In oben bezeichneter Sache weisen wir kollegialiter darauf hin, dass unsere Mandantin aufgrund des Verhaltens der Beklagten und auch des unwürdigen Vortrags im Prozess selbst nicht gewillt ist, von einer Bestellung abzusehen und der Beklagten eine über die gesetzliche Frist hinausgehende kostenneutrale Prüfungsfrist einzuräumen.

Der Schriftsatz zur Bestellung wird hier am morgigen Tag versandt, soweit bis dahin hier keine Rücknahme der Berufung eingegangen ist."

Anschließend wies er seine Büroleiterin an, den Bestellungsschriftsatz am Folgetag per Post an das OLG zu versenden, falls bis dahin eine Berufungsrücknahme nicht erklärt worden war. Die Angestellte versandte weisungsgemäß den Bestellungsschriftsatz am 10.12.2011 gegen 13.00 Uhr, nachdem sie bis dahin keine Nachricht von der Beklagten hatte. Deren Prozessbevollmächtigten haben mit Schriftsatz vom 10.12.2011, welcher per Fax am selben Tag um 15.31 Uhr in der Anwaltssozietät S. einging, die Rücknahme der Berufung erklärt. Der Beklagten sind sodann die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt worden.

Der Rechtspfleger hat die Festsetzung der von der Klägerin gem. RVG VV Nr. 3200, 3201angemeldeten 1,1 Verfahrensgebühr abgelehnt, da diese ihre Zusage, mit der Bestellung eines Anwalts bis (einschließlich) des 10.12.2011 zu warten, nicht eingehalten habe. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der sie einwendet, sie habe sich nicht abredewidrig verhalten, denn dem Schreiben vom 9.12.2011 sei nicht zu entnehmen gewesen, dass die Beklagte die Berufungsrücknahme kostenfrei auch noch am Folgetag habe erklären können.

II. Die gem. § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG statthafte und auch ansonsten verfahrensrechtlich unbedenklich zulässige sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Der Rechtspfleger hat die von der Klägerin angemeldeten Kosten im Ergebnis zu Recht nicht festgesetzt.

1. Der Klägerin ist zunächst zwar insoweit Recht zu geben, als nach dem Wortlaut des Schreibens vom 9.12.2011 eine "kostenneutrale" Rücknahme der Berufung nur bis zum Ablauf dieses Tages erfolgen konnte. Ob die Bemessung einer derart kurzen Frist mit dem im auch im Kostenrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben in Einklang zu bringen ist, unterliegt indes Zweifeln, denn der Beklagten blieben damit nur wenige Stunden für die Prüfung, ob sie das Rechtsmittel weiter durchführen wollte. Der Senat neigt daher der Auffassung der Beklagten zu, dass die Klägerin mit der Bestellung ihres Prozessbevollmächtigten jedenfalls noch den Ablauf der üblichen Bürozeiten des Folgetags zuwarten musste.

2. Vorliegend bedarf die Frage der Fristwahrung indes keiner Entscheidung, denn die Klägerin kann bereits aus anderen Gründen keine Erstattung der geltend gemachten Verfahrensgebühr verlangen.

a) Die Erstattungsfähigkeit der durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts im Berufungsverfahren entstandenen Kosten richtet sich nach § 91 ZPO. Danach sind die Kosten dann zu erstatten, wenn eine wirtschaftlich denkende Partei sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung als notwendig ansehen durfte. Nach der vom Senat geteilten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 2003, 756, 757; NJW 2007, 3723; NJW 2008, 1087, 1088) sind dabei folgende Grundsätze zu beachten: Solange noch unsicher ist, ob das Rechtsmittel durchgeführt wird, ist die Beau...

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