Leitsatz (amtlich)
Schließt sich die beklagte Partei der Berufung des mit ihr verurteilten Streitgenossen an, ohne dass die Klägerseite Berufung eingelegt hätte, kann das Rechtsmittel in jeder Lage des Verfahrens durch Teilbeschluss verworfen werden.
Tenor
I. Im Urteil vom 19.06.2018 hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Aachen antragsgemäß die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 527.842,12 EUR zu zahlen. Prozessbevollmächtigter beider Beklagter war im Verfahren des ersten Rechtszuges Herr Rechtsanwalt Gr. Diesem ist das Urteil ausweislich EB am 19.06.2018 zugestellt worden.
Am 19.07.2018 ist eine von Herrn Rechtsanwalt Gr. unter demselben Datum verfasste Berufungsschrift per Fax beim Oberlandesgericht eingegangen. In dieser ist die Beklagte zu 1) mit ihrer Firma aufgeführt, der Beklagte zu 2) hingegen nicht. das Rechtsmittel wird ausdrücklich "namens der Beklagten und Berufungsklägerin" eingelegt.
Ebenfalls am 19.07.2018 ist eine vom selben Tag datierende Berufungsschrift der Rechtsanwälte Dr. Z. und Partner hier eingegangen, in der beide Beklagte genannt sind, in der hingegen eine anwaltliche Bestellung und die Einlegung der Berufung ausschließlich für die Beklagte zu 1) erklärt wird.
Mit Schriftsatz vom 06.08.2018 hat Herr Rechtsanwalt Gr. das Mandat für die Beklagte zu 1) niedergelegt.
Unter demselben Datum, eingegangen ebenfalls am 06.08.2018, hat Herr Rechtsanwalt Gr. namens des Beklagten zu 2) ein als "Anschluss-Berufung" bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt. Mit Schriftsatz vom 20.08.2018 ist das Rechtsmittel mit Gründen versehen worden.
Der Beklagte zu 2) beantragt,
das Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
II. Das vom Beklagten zu 2) eingelegte Rechtsmittel ist gemäß § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, gem. S. 3 durch Beschluss zu entscheiden, weil ein Anlass zur mündlichen Verhandlung nicht besteht.
Eine selbständige Berufung ist von beiden Prozessbevollmächtigten für den Beklagten zu 2) nicht eingelegt worden. Als Anschlussberufung ist das vom Beklagten zu 2) eingelegte Rechtsmittel nicht statthaft, weil § 524 Abs. 1 S. 1 ZPO die Anschließung nur an die vom Gegner eingelegte Berufung ermöglicht, eine solche aber nicht vorliegt. Das gilt namentlich auch für eine, wie hier, vom Streitgenossen eingelegte Berufung (KG VersR 1975, 452). Die in solchen Fällen zu erwägende Umdeutung in eine selbständige Berufung (dazu KG aaO. und Zöller-Heßler § 524 Rn. 19) führt nicht weiter, weil sie wegen Versäumung der Monatsfrist, § 517 ZPO, unzulässig und damit ebenfalls zu verwerfen ist; Wiedereinsetzungsgründe sind nicht ersichtlich, wie auch ein förmlicher Antrag auf Wiedereinsetzung nicht vorliegt.
Der Senat entscheidet durch Teilbeschluss, weil die Sache insoweit entscheidungsreif ist.
Dem steht nicht entgegen, dass nach der in Rechtsprechung und Literatur vorherrschenden Auffassung eine Teilentscheidung selbst über eine unheilbar unzulässige Anschlussberufung für unzulässig erachtet wird (BGH NJW 1956, 1030; 1994, 2235, 2236; OLG Koblenz NJW-RR 1989, 960; Baumbach/Lauterbach-Hartmann § 524 Rn. 26; Musielak/Voit-Ball § 524, Rn. 25; Wieczorek-Gerken § 524 Rn. 45, 53; Zöller-Heßler § 524 Rn. 42; teilw. aA MüKoZPO-Rimmelspacher § 524 Rn. 52; Stein/Jonas-Althammer § 524 Rn. 43, 57).
Tragender Grund hierfür ist die aus § 524 Abs. 4 ZPO ersichtliche Abhängigkeit der Anschlussberufung von der Berufung und damit der Schwebezustand, in dem sich die Anschlussberufung befindet, bis feststeht, dass sie ihre Wirkungen nicht mehr verlieren kann (so ausdrücklich BGH NJW 1994, 2235, 2236; auch OLG Celle NJW-RR 1986, 357). Hieran fehlt es in der vorliegenden Fallkonstellation. Da die Klägerin kein Rechtsmittel eingelegt hat, findet § 524 Abs. 4 ZPO keine Anwendung. Da zudem, wie bereits dargelegt, eine Anschließung an die Berufung der Beklagten zu 1) schlechthin ausscheidet, ist auch insoweit eine Anwendbarkeit des § 524 Abs. 4 und damit das Vorliegen eines Schwebezustands nicht zu erwägen. Nach allem steht der Verwerfung der Anschlussberufung durch Teilentscheidung nichts entgegen.
Eine Kostenentscheidung ist im gegenwärtigen Verfahrensstadium noch nicht veranlasst.
Fundstellen
Haufe-Index 12027071 |
MDR 2018, 1209 |