Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des gekündigten Vertragshändlers auf Rückkauf des Ersatzteillagers; Änderung des Mehrwertsteuersatzes
Leitsatz (amtlich)
Der gekündigte Vertragshändler verwirkt seinen Anspruch gegen den Hersteller auf Rückkauf des Ersatzteillagers nicht allein deshalb, weil er den Anspruch erst nach rechtskräftigem Abschluss des Rechtsstreits der Parteien über die Wirksamkeit der Kündigung des Händlervertrages geltend macht.
Unterliegt die Besteuerung des Ausgleichsanspruchs einem höheren Steuersatz als dem im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs geltenden, hat der Vertragshändler gegen den Hersteller unter den Voraussetzungen des § 29 UStG einen Anspruch auf Ausgleich der umsatzsteuerrechtlichen Mehrbelastung. Dieser Anspruch ist vor den ordentlichen Gerichte geltend zu machen.
Normenkette
HGB § 84 ff.; BGB § 242; UStG § 29
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 86 O 87/99) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 7.6.2001 verkündete Urteil des LG Köln – 86 O 87/99 – wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin über die im angefochtenen Urteil zuerkannten Beträge hinaus weitere 1.239,74 DM (= 633,87 EUR) nebst 5 % Zinsen seit dem 20.12.2001 zu zahlen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckendem Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die seinerzeit in G. ansässige Klägerin war auf der Grundlage des Händlervertrages vom 15.8./7.9.1989 Vertragshändlerin der Beklagten. Mit Schreiben vom 9.7.1996 kündigte die Beklagte den Vertrag zum 31.12.1997. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin behauptete, dass ihr das Kündigungsschreiben nicht zugegangen sei und die Beklagte den Nachweis des Zugangs nicht erbringen konnte, kam es zwischen den Parteien zu dem Rechtsstreit 86 O 8/98 LG Köln, in dem die Klägerin die Feststellung begehrte, dass das Vertragsverhältnis nicht zum 31.12.1997 beendet worden sei. Während das LG mit Urt. v. 12.11.1998 der Klage stattgab, hat das OLG Köln mit Urt. v. 3.8.1999 – 4 U 60/98 – die Klage abgewiesen und – nach Rücknahme der Revision seitens der Klägerin – inzwischen rechtskräftig festgestellt, dass das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien zum 31.12.1997 beendet wurde.
Im Hinblick auf die Beendigung des Vertrages hat die Klägerin in erster Instanz neben weiteren Ansprüchen unter anderem einen Ausgleichsanspruch gem. § 89b HGB geltend gemacht und von der Beklagten die Rücknahme des bei ihr vorhandenen Ersatzteil- und Zubehörteillagers Zug um Zug gegen Zahlung des ihr nach dem Vertrag dafür zustehenden Entgelts verlangt. Das LG hat der Klägerin u.a. einen Ausgleichsanspruch i.H.v. Brutto 142.570,34 DM (einschließlich 15 % Mehrwertsteuer) zuerkannt und die Beklagte zur Rücknahme der Ersatz- und Zubehörteile Zug um Zug gegen Zahlung von netto 120.099,46 DM verurteilt.
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Verurteilung zur Zurücknahme der Ersatz- und Zubehörteile im wesentlichen mit der Begründung, eine Rücknahmeverpflichtung ihrerseits bestehe wegen des Zeitablaufs seit der Wirksamkeit der Kündigung nicht mehr. Die Klägerin hat (unselbstständige) Anschlussberufung eingelegt mit der Begründung, im Hinblick auf die im Zeitpunkt der Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs gem. § 89b HGB gültigen Umsatzsteuersatzes von 16 %, der für die Versteuerung ihres Umsatzes maßgeblich sei, sei die Beklagte verpflichtet, ihr den Differenzbetrag i.H.v. 1.239,74 DM zu zahlen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätzen nebst allen Anlagen ergänzend Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Hingegen war sie auf die (unselbstständige) Anschlussberufung der Klägerin hin zu verurteilen, an diese gem. § 29 Abs. 1, 2 UStG 1.239,74 DM zu zahlen.
1. Mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, hat das LG die Beklagte zur Zurücknahme der Ersatz- und Zubehörteile verurteilt. Ergänzend weist der Senat noch auf folgendes hin: Da – wie das LG in Übereinstimmung mit der Entscheidung des BGH (BGH v. 23.11.1994 – VIII ZR 254/93, NJW 1995, 524 ff. = MDR 1995, 576) entschieden hat – die in Ziffer 19 des gekündigten Vertrages (GA 27) enthaltene 3-Monats-Frist für die Geltendmachung des Rückkaufsanspruchs wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam ist, andererseits eine neue vertragliche Regelung (= 6 Monate) nicht zustande gekommen ist, wäre die Ausübung des Rückkaufsrechts durch die Klägerin, das auch bei fehlender vertraglicher Regelung aufgrund einer nachvertraglichen Treuepflicht des Herstellers besteht (BGH v. 23.11.1994 – VIII ZR 254/93, NJW 1995, 524 ff. = M...