Entscheidungsstichwort (Thema)

Gemeinschaftliches Testament - Unwirksamkeit von Verfügungen zu Lasten des Schlusserben

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einem gemeinschaftlichen Testament von Ehegatten, die sich zunächst wechselseitig zu Erben und sodann ihre Kinder je zur Hälfte zu Erben des letztverstorbenen Ehegatten einsetzen, ist zunächst nach § 133 BGB auszulegen, ob und inwieweit der zunächst überlebende Ehegatte zu Verfügungen über Vermögensgegenstände befugt sein soll. Aus der Auslegungsregel des § 2269 BGB folgt grundsätzlich, dass der überlebende Ehegatte Vollerbe wird und damit in der Verfügung über das ihm zufallende Vermögen frei ist.

Verfügt der überlebende Ehegatte noch zu Lebzeiten zugunsten eines seiner Kinder über einen Vermögensgegenstand (hier: Übertragung einer Eigentumswohnung), so kommen nach dessen Tode Ausgleichsansprüche der Erben nur unter den Voraussetzungen des § 2287 BGB in Betracht. Insbesondere muss eine Absicht des Verfügenden, das Erbrecht eines Schlusserben zu beeinträchtigen, nachgewiesen werden. An diesen Nachweis sind hohe Anforderungen zu stellen. Insbesondere ist das lebzeitige Eigeninteresse des Verfügenden zu beachten. Dies kann insbesondere dann vorliegen, wenn dieser sich von einem seiner Kinder im Alter Versorgung, Pflege und Zuneigung erhofft.

 

Normenkette

BGB § 2287

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Urteil vom 07.08.2013; Aktenzeichen 7 O 39/13)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 7.8.2013 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des LG Bonn, 7 O 39/13, wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages erbringt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von der Beklagten, seiner Schwester, die Übertragung eines hälftigen Miteigentumsanteils an einer Eigentumswohnung Zug um Zug gegen Bezahlung eines Betrages i.H.v. 30.000 EUR.

Die Parteien sind die beiden einzigen Kinder der Eheleute S H, der am 2.8.1994 verstarb, und D H, die am 14.2.2012 verstarb. Ein gemeinschaftliches Testament der Eheleute H ist nicht mehr vorhanden. Im Jahre 1999 beantragte Frau H die Erteilung eines Erbscheines, der sie als Alleinerbin ihres Ehemannes auswies. Ein solcher Erbschein wurde am 26.1.2000 auch erteilt. Im Vorfeld der Erbscheinserteilung hatten die an der Erbfolge beteiligten Personen, insbesondere der nunmehrige Kläger und die nunmehrige Beklagte eine Erklärung abgegeben. Hierin war festgehalten, dass das gesamte Erbe des Herrn S H auf Frau D H übergehen sollte und Frau H sich verpflichtete, ihren beiden Kindern testamentarisch je die Hälfte des Erbes zu vermachen (Erklärung vom 8.1.2000).

Im Jahre 2001 übertrug Frau D H die ihr gehörende und von ihr bewohnte Eigentumswohnung im Hause Lstraße 86 in C zunächst auf den Kläger. Die Eigentumsumschreibung sollte jedoch erst nach dem Tod von Frau H erfolgen. Während ihrer Lebzeiten sollte sie berechtigt sein, das Wohnungseigentum zu veräußern. Frau H zog im November 2009 in ein Alten - und Pflegeheim und veräußerte kurz darauf mit notariellem Kaufvertrag vom 28.12.2009 diese Eigentumswohnung zu einem Kaufpreis von 60.000 EUR an die Beklagte. In dem Kaufvertrag wurden neben dem Kaufpreis i.H.v. 60.000 EUR einzelne Leistungen bezeichnet, die die Beklagte bereits erbracht habe oder noch bis zum Lebensende von Frau H erbringen werde. Wegen der Einzelheiten wird auf den zu den Akten gereichten Vertrag verwiesen (Bl. 28 ff. GA). Am selben Tag errichtete Frau H ein notarielles Testament, worin sie die Beklagte zu ihrer alleinigen Erbin einsetzte (Bl. 38 ff. GA).

Der Kläger hat in der Veräußerung der Eigentumswohnung an seine Schwester eine sein Erbe beeinträchtigende Schenkung gesehen. Er hat behauptet, dass die Parteien Schlusserben zu gleichen Teilen gemäß einem gemeinschaftlichen Testament ihrer Eltern aus dem Jahre 1987 geworden seien. Das gemeinschaftliche Testament der Eltern aus dem Jahre 1987 habe wechselbezügliche Verfügungen hinsichtlich der gegenseitigen Einsetzung der Ehegatten als Erben und der Einsetzung der beiden Kinder als Schlusserben enthalten. Die Erblasserin, Frau H, habe gegen die hieraus resultierende Bindung durch die Veräußerung der Wohnung an die Beklagte verstoßen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Erblasserin sei zur Verfügung über die Wohnung berechtigt gewesen, weil es an einer wechselbezüglichen Verfügung in dem gemeinschaftlichen Testament der Ehegatten H aus dem Jahr 1987 gefehlt habe. Sie sei vielmehr befugt gewesen, über das Vermögen frei zu verfügen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum erstinstanzlichen Sachvortrag der Parteien wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Es ist grundsätzlich davon ausgegangen, dass § 2287 Abs. 1 BGB entsprechend auf ein gemeinschaftlic...

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