nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsmangel. Grundstückskauf

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Verstoß gegen § 16 Abs. 2 und 3 BeurkG macht die Beurkundung nicht unwirksam, wenn der Notar die Feststellung mangelnder Sprachkunde eines Beteiligten in der Niederschrift unterläßt.

2. Sieht der Bebauungsplan für ein gekauftes Grundstück eine öffentliche Verkehrsfläche als Fußgängerbereich und die Errichtung einer Gemeinschaftstiefgarage vor, so handelt es sich um Rechtsmängel; damit ist der Weg zu einer Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB nicht durch kaufrechtliche Gewährleistungsvorschriften versperrt.

 

Normenkette

BeurkG § 16 Abs. 2-3

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 02.12.1997; Aktenzeichen 27 O 504/96)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 2. Dezember 1997 verkündete Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 27 O 504/96 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß 6 % Zinsen nur von 220.000,00 DM, auf die weiteren 225.000,00 DM dagegen 4 % Zinsen zu zahlen sind. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 485.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.

 

Tatbestand

Die Kläger, die die türkische Staatsangehörigkeit besitzen und seit mehr als 20 Jahren in Deutschland leben, beabsichtigten, für sich und ihre Familie ein Hausgrundstück in E. zu erwerben. Auf ein im Sommer 1996 von der Beklagten aufgegebenes Zeitungsinserat nahmen sie mit deren Vater, der die Immobilienangelegenheit für die Beklagte regelte, wegen des von ihr angebotenen Objekts L. 9 in E.-B. Kontakt auf. Das mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück liegt im Gebiet eines Bebauungsplans der Stadt E., dessen Festsetzungen für diesen Bereich unter anderem eine Tiefgarage, eine öffentliche Verkehrsfläche für einen Fußgängerweg sowie Leitungsrechte zugunsten der Ver- und Entsorgungsträger vorsehen.

Am 9. September 1996 schlossen die Parteien vor dem Notar J. in S. einen Kaufvertrag über das Grundstück zum Preise von 445.000,00 DM. Diese Summe wurde zum vereinbarten Fälligkeitstermin am 30. September 1996 auf das Konto der Beklagten überwiesen.

Mit Anwaltsschreiben vom 8. Oktober 1996 fochten die Kläger gegenüber der Beklagten ihre Vertragserklärungen wegen arglistiger Täuschung unter Hinweis darauf an, daß sie über die – der Beklagten bekannt gewesenen – Festsetzungen des Bebauungsplans nicht aufgeklärt worden seien. Vorsorglich erklärten sie auch die Anfechtung wegen Irrtums, weil ihnen aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse unklar gewesen sei, was sie beim Notar im einzelnen unterschrieben hätten.

Die Kläger verlangen von der Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises.

Sie haben behauptet, der deutschen Sprache nicht mächtig zu sein. Der klagende Ehemann könne sich nur unzureichend in dieser Sprache verständigen, während die klagende Ehefrau gar kein Wort Deutsch verstehe. Den Ausführungen des Notars zum Inhalt der Vertragsurkunde hätten sie deshalb nicht folgen können. Für sie wesentliche Vertragsbestimmungen über den Kaufpreis, die Gewährleistung und die Übergabe seien ihnen von ihrer im Notartermin anwesenden Tochter Gülümser übersetzt worden. Die Kläger haben den Standpunkt eingenommen, der notarielle Kaufvertrag sei aufgrund einer gemäß §§ 6, 16 BeurkG unzulässigen Mitwirkung ihrer Tochter als Dolmetscherin formnichtig, jedenfalls aber wirksam wegen Irrtums angefochten. Zudem seien sie zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung berechtigt gewesen, da die Beklagte bzw. deren Vater als ihr Vertreter sie auf die – ihnen unbekannt gewesene – Existenz des Bebauungsplans und dessen Inhalt hätte hinweisen müssen. Sie seien erst nach Vertragsschluß durch den Sachbearbeiter der finanzierenden Bank auf den Bebauungsplan aufmerksam gemacht worden und hätten sich daraufhin beim Stadtplanungsamt über dessen Inhalt erkundigt. Durch die Festsetzungen im Bebauungsplan drohe die Enteignung entsprechender Grundstücksflächen für die geplante Errichtung einer Gemeinschaftstiefgarage, die sogar einen Abriß des Hauses notwendig mache, und die Anlegung eines Fußgängerwegs. Auch das Leitungsrecht beeinträchtige das Grundstückseigentum. Der Bebauungsplan verhindere somit die beabsichtigte Nutzung des Hausgrundstücks.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 445.000,00 DM nebst 6,5 % Zinsen seit dem 22. Oktober 1996 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat mangelnde Sprachkenntnisse und Verständigungsschwierigkeiten der Kläger sowie eine Übersetzertätigkeit von deren Tochter bei Abschluß des Notarvertrags bestritten, ferner deren Unkenntnis von der Existenz des Bebauungsplans, und behauptet, der klagende Ehemann habe vor Vertragsschluß von ihrem Vater auch die Bezeic...

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