Entscheidungsstichwort (Thema)
Falsch negative Befundung durch Stanzbiopsie bei Verdacht auf Brustkrebs. Sicherheitsaufklärung bei divergierenden Befunden
Leitsatz (amtlich)
1. Der falsch negative Befund einer Stanzbiopsie bei Verdacht auf ein Mamma-Karzinom stellt kein Indiz für einen Behandlungsfehler dar.
2. Die Diskrepanz zwischen einem positiven mammografischen und mamma-sonografischen Befund einerseits und einem negativen pathologischen Befund nach Stanzbiopsie andererseits verpflichtet den die Biopsie durchführenden Arzt im Rahmen seiner Pflicht zur therapeutischen Aufklärung zu dem Hinweis, dass keine der Untersuchungsmethoden zwingend die zuverlässigere sein müsse, und zu dem Hinweis, welche Optionen der Patientin zur weiteren Abklärung zur Verfügung stehen.
Normenkette
BGB §§ 249, 253, 280, 611, 823
Verfahrensgang
LG Aachen (Urteil vom 25.06.2014; Aktenzeichen 11 O 297/11) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 25.6.2014 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des LG Aachen - 11 O 297/11 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten unter dem Gesichtspunkt ärztlicher Fehler im Rahmen einer Behandlung durch die Beklagten zu 1. und 2. im Hause der Beklagten zu 3. auf Zahlung von Ersatz für immaterielle und materielle Schäden sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht zukünftiger Schäden in Anspruch.
Anfang 2005 überwies der die Klägerin behandelnde Frauenarzt Dr. T die Klägerin zur Durchführung einer Stanzbiopsie an die Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe im Krankenhaus der Beklagten zu 3.. Zuvor hatte er einen halb-erdnussgroßen Knoten in der rechten Brust der Klägerin ertastet und der niedergelassene Radiologe Dr. T2 hatte diesen Befund anschließend bei einer 2-Ebenen-Mammographie und Mammasonographie als "BIRADS analog IV" bewertet und eine histologische Abklärung empfohlen. Die Klägerin stellte sich erstmals am 22.2.2005 in der Mamma-Sprechstunde bei dem Beklagten zu 1. vor. Hier wurde ein Termin zur erforderlichen Biopsie abgesprochen. Am 28.2.2005 führte die Beklagte zu 2. die Biopsie durch. Sie entnahm der Brust der Klägerin hierbei vier Stanzproben und schickte diese dem Pathologen Prof. Dr. L. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass es sich um eine "fibrosis mammae", also um eine Vermehrung des Stützgewebes des Drüsenkörpers handele und in dem vorliegenden Material kein Anhalt für Spezifität und Malignität bestehe. Dieser negative Befund wurde der Klägerin und ihrem Ehemann am 8.3.2005 vom Beklagten zu 1. im Rahmen eines persönlichen Gesprächs mitgeteilt. Dr. T erhielt am 16.3.2005 einen Arztbrief mit entsprechendem Inhalt. Dr. T untersuchte die Klägerin sodann am 28.4.2005 ein weiteres Mal und führte hierbei auch eine Mammasonographie durch. Am 18.7.2005 untersuchte Dr. T die Klägerin erneut, wobei er in der verdächtigen Region eine fast bohnengroße Verhärtung ertastete. Bei einer weiteren Untersuchung am 16.2.2006 ertastete Dr. T einen kirschkerngroßen Knoten. Als auch die Sonographie auffällig war, überwies Dr. T die Klägerin erneut zur Durchführung einer Mammographie. Nach deren Ergebnis kam es zu einer weiteren Biopsie im Hause der Beklagten zu 3.. Es wurde festgestellt, dass die Klägerin an Krebs erkrankt war und dass es sich bei der Verhärtung in ihrer Brust um einen bösartigen Tumor handelte, der sich bereits mit Metastasen verbreitet hatte. Am 03.5.2006 wurden im Rahmen einer brusterhaltenden Operation der Tumorherd sowie zehn Lymphknoten entfernt, von denen acht bereits befallen waren. Anschließend wurde in 34 Sitzungen eine Bestrahlung durchgeführt. Die Klägerin entschloss sich hinsichtlich der Chemotherapie, an der sog. GAIN-Studie teilzunehmen, und ließ in diesem Rahmen eine ambulante Chemotherapie mit 14 Zyklen durchführen.
Die Klägerin hat behauptet, dass die unerfahrene Beklagte zu 2. bei der Biopsie behandlungsfehlerhaft den Knoten in der Brust der Klägerin durchstochen und deshalb Stanzen nicht aus dem verdächtigen Bereich entnommen habe, sondern aus dem dahinter liegenden, gesunden Gewebe. Dementsprechend sei der bereits damals vorhandene Tumor unentdeckt geblieben. Nach Vorliegen des Befunds hätte man der Divergenz zwischen dem unauffälligen histologischen Befund einerseits und den vorhandenen Knoten andererseits weiter nachgehen müssen. Es hätten eine weitere Biopsie durchgeführt und eine engmaschige Überwachung angeordnet werden müssen, was tatsächlich unterblieben sei. Bei einer Entdeckung schon im Jahr 2005 hätte eine wesentlich weniger umfangreiche und belastende Behandlung ausgereicht. Ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro sei angemessen.
Die Klägerin hat bea...