Entscheidungsstichwort (Thema)

Brustkrebs: möglicher Diagnosefehler bei jahrelang auffälligem Tastbefund;

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Beweisanforderungen im Hinblick auf einen Diagnose- oder Befunderhebungsfehler, wenn sich ein Mamma-Carzinom an der gleichen Stelle zeigt, an der sich über neun Jahre immer wieder ein auffälliger, aber als harmlos ("dicker Lymphknoten") eingeschätzter Tastbefund ergeben hat.

2. Es ist nicht behandlungsfehlerhaft, wenn der Gynäkologe den Radiologen, zu dem er zur Durchführung einer Mammographie überweist, nicht ausdrücklich auf einen von ihm als harmlos eingeschätzten Befund hinweist.

3. Es ist nicht behandlungsfehlerhaft, wenn ein über neun Jahre immer wieder ertasteter Lymphknoten nicht vorsorglich entfernt wird.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 280, 611, 823

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 17.07.2013; Aktenzeichen 25 O 379/10)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Köln vom 17.7.2013 - 25 O 379/10 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die am xx. xx. 1949 geborene Klägerin, von Beruf Lehrerin, befand sich seit 1980 bei dem Beklagten in gynäkologischer Behandlung. Im Jahr 1997 äußerte sie gegenüber dem Beklagten erstmals ihre Angst vor einer Krebserkrankung, nachdem viele ihrer Lehrerkolleginnen an Brustkrebs erkrankt waren. Eine daraufhin durch den Beklagten veranlasste Mammographie ergab keinen auffälligen Befund. Im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung im Jahr 1998 fiel dem Beklagten erstmals beim Abtasten der Brust ein etwa erbsengroßer Knoten in der linken Axilla der Klägerin auf, den er als entzündeten Lymphknoten einordnete. Für die folgenden Untersuchungen am 17.8.1998, 11.5.1999 und 24.3.2000 notierte der Beklagte in der Patientenkarte den gleichen Tastbefund. Im August 2000 sowie im September 2005 durchgeführte Mammographien zeigten keine Auffälligkeiten. Am 2.8.2007 stellte der Beklagte einen circa 1,5 cm großen, derb verschieblichen Knoten fest, den er laut Eintrag in der Patientenkarte in der linken Axilla verortete. Eine noch am selben Tag durchgeführte Mammographie ergab laut Befundbericht der Gemeinschaftpraxis Radiologie, Strahlentherapie und Nuklearmedizin in L vom 3.8.2007 ein haselnussgroßes Karzinom in der vorderen Axillarfalte links sowie zwei in der Axilla hinter dem Karzinom befindliche, kleine rundliche Verdichtungen, die als Lymphknoten eingestuft wurden. Die Klägerin stellte sich am 6.8.2007 in der Uniklinik L2 vor. Die dort durchgeführte klinische Untersuchung ergab einen auffälligen Tastbefund im Bereich der vorderen Axillarlinie, die daraufhin vorgenommene Stanzbiopsie ein invasiv-duktales Mammakarzinom des gradings G 2 bis G 3. Die Klägerin wurde brusterhaltend operiert. Laut Operationsbericht vom 10.8.2007 wurden Lymphknoten bis Bohnengröße entdeckt und zwei Sentinel-Lymphknoten entfernt, die sich als tumorfrei herausstellten. Im Anschluss an die Operation erfolgten eine adjuvante Chemotherapie, eine Strahlentherapie und eine Hormonbehandlung.

Die Klägerin hat behauptet, der erstmals im Jahr 1998 festgestellte Tastbefund in der linken Axilla sei identisch mit dem im Jahr 2007 festgestellten Mammakarzinom gewesen. Dies habe der Beklagte aufgrund falscher Diagnose und unzureichender Befunderhebung verkannt. Durch die zeitlich verzögerte Diagnose und Therapie seien ihre Heilungschancen verschlechtert worden.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie aus der fehlerhaften Behandlung ab 1997 ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Betrag in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 50.000 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz - mindestens verzinslich mit 8 % Zinsen - seit dem 16.6.2009;

2. den Beklagten zu verurteilen, an sie 28.794,26 EUR zu zahlen, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz - mindestens verzinslich mit 8 % Zinsen- seit dem 16.6.2009;

3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche künftige immateriellen und alle weiteren vergangenen und künftigen materiellen Schäden, die ihr infolge der fehlerhaften Behandlung seit 1997 entstanden sind bzw. noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, das im Jahr 2007 festgestellte Karzinom in der linken Axillarlinie sei nicht identisch mit dem erstmals 1998 festgestellten Befund in der linken Axilla. Die Befunderhebung sei ausreichend erfolgt.

Wegen der Einzelheiten des streitigen Vorbringens der Parteien und der tatsächlichen Feststellungen des LG wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Ausfü...

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