Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufklärung "im Großen und Ganzen" bei Hüft-Operation

 

Leitsatz (amtlich)

Zu der vom Behandler geschuldeten Aufklärung über die Risiken einer Hüft-Operation "im Großen und Ganzen" gehört zwar das Risiko einer Prothesenlockerung, nicht aber der ausdrückliche Hinweis darauf, dass dieses Risiko wegen des Übergewichtes der Patientin gegenüber einem normal gewichtigen Patienten erhöht sei.

 

Normenkette

BGB §§ 280, 611, 823

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 25 O 327/13)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 16.11.2016 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 25 O 327/13 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Das vorliegende Urteil und die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die am 3.8.1953 geborene, stark übergewichtige (BMI 40) Klägerin, der im Jahr 2008 eine Hüfttotalendoprothese rechts von Prof. Dr. S im St. G-Hospital L eingesetzt worden war, stellte sich am 4.2.2010 mit Hüftbeschwerden links im Krankenhaus der Beklagten zu 1) bei dem Beklagten zu 2) vor. Nach der Anfertigung von Röntgenaufnahmen stellte dieser die Diagnose einer Coxarthrose und die Indikation zum Einsatz einer Hüfttotalendoprothese links.

Am 23.3.2010 wurde die Klägerin stationär aufgenommen. Nach einem Gespräch mit dem Beklagten zu 4) unterzeichnete sie einen Aufklärungsbogen. Der Beklagte zu 2) führte den Eingriff am 24.3.2010 durch, bei dem er zementfrei eine Pressfit Pfanne und einen Schaft einsetzte. Im laufenden Text des Operationsberichts wird dagegen das Einbringen einer Schraubpfanne beschrieben. Unmittelbar nach dem Eingriff wurde eine Röntgenaufnahme der Hüfte angefertigt. Nachdem am 25.3.2010 bei der Mobilisation ein Knackgeräusch aufgetreten war, welches die Beklagten als Subluxationsereignis beurteilten, wurde am gleichen Tag eine weitere Röntgenaufnahme erstellt. Eine am 28.3.2011 durchgeführte Computertomografie ergab einen Antetorsionswinkel des Schafts von 29°. Die Beklagten besprachen mit der Klägerin die Indikation für eine Revisionsoperation, die die Klägerin allerdings durch Prof. Dr. S durchführen lassen wollte. Am 2.4.2010 wurde sie entlassen.

Am 10.5.2010 nahm Prof. Dr. S die Revisionsoperation im St. G-Hospital in B vor, bei der er die Pfanne und den Aufsteckkopf des Schafts wechselte. Ein entnommener Abstrich ergab keinen Keimnachweis. Nach dem Eingriff hielten die Hüftgelenksbeschwerden an. Ab Oktober 2010 nahmen sie nach Darstellung der Klägerin zu. Umfangreiche Untersuchungen ergaben zunächst keine Erklärung. Am 17.10.2011 stellte sich die Klägerin bei Prof. Dr. T in der P Klinik in L vor. Nach einer Röntgenuntersuchung ergab sich der Verdacht auf eine Schaft- und Pfannenlockerung. Eine Punktion wies den Keim staphylococcus epidermis nach. Am 26.10.2011 baute Prof. Dr. T die Hüftgelenksprothese links aus und setzte einen Spacer ein. Am 10.1.2012 reimplantierte er eine Hüftgelenksprothese.

Die Klägerin hat die Beklagten auf ein Schmerzensgeld von mindestens 90.000 EUR, Ersatz materieller Schäden von 54.362,50 EUR und von weiteren 15.934,32 EUR, Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten und Feststellung der Ersatzpflicht in Anspruch genommen. Gestützt auf ein Gutachten von Dr. T (Anlage K 20) nebst Ergänzungen (Bl. 193 ff. und im Anlagenheft unter 3) hat sie den Beklagten vorgeworfen, dass die Pfanne fehlerhaft mit einer vermehrten Anteversion, die aus einer Beckenübersichtsaufnahme vom 4.5.2010 ersichtlich sei, und der Schaft fehlerhaft mit einer vermehrten Antetorsion eingebracht worden seien. Medizinische Gründe hierfür habe es nicht gegeben. Der Eingriff sei nicht fachgerecht geplant worden. Der Operationsbericht sei in wesentlichen Punkten unzutreffend und stelle keine Grundlage für eine Beurteilung dar. Über eine infolge ihrer Adipositas erhöhte Gefahr von Wundheilungsstörungen, Luxationen und Knochenbrüchen sei sie nicht aufgeklärt worden. Nach der letzten Operation im Januar 2012 seien dauerhafte Bewegungseinschränkungen im linken Hüftgelenk verblieben. Ostern 2012 sei sie mit Gehhilfen gestürzt und habe sich einen Riss der Supraspinatussehne zugezogen. Wegen der geltend gemachten materiellen Schäden, insbesondere des Verdienstausfalls und des Haushaltsführungsschadens, wird auf S. 35 der Klageschrift (Bl. 35 d.A.) und auf S. 2 des Schriftsatzes vom 14.9.2016 (Bl. 347 d.A.) verwiesen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld aus der fehlerhaften Behandlung am 24.3.2010 zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 90.000 EUR nebst fünf Prozentpunkten über dem...

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