Nachgehend
Tenor
Die Disziplinarverfügung des Präsidenten des Beklagten vom 8.7.2020 (I W 433 Sdh. VI) wird mit der Maßgabe aufgehoben, dass dem Kläger eine Missbilligung ausgesprochen wird.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Der Verfahrenswert wird auf 350,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über das Vorliegen und die Ahndung von notariellen Amtspflichtverletzungen.
Der am xx.xx.1955 geborene Kläger ist seit dem 20.1.1986 als Rechtsanwalt und seit dem 15.9.2000 als Notar mit Amtssitz in A tätig. Durch Verfügung vom 10.1.2012 wurde gegen ihn eine Missbilligung u.a. wegen verfrühter Kaufpreisfälligstellung ausgesprochen. Gegen eine Disziplinarverfügung des Beklagten vom 1.3.2018, durch die gegen den Kläger wegen drei Verstößen gegen notarielle Dienstpflichten eine Geldbuße in Höhe von 2.000,00 EUR verhängt worden war, klagte er in dem Verfahren 2 X (Not) 3/18. Durch Urteil des Senats vom 6.11.2018 wurde die Geldbuße wegen Verstoßes gegen § 14 Abs. 1 Satz 1 BNotO auf 750,00 EUR reduziert und das Disziplinarverfahren im Übrigen eingestellt. Die Berufung des Klägers führte zur Einstellung des Disziplinarverfahrens insgesamt durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18.11.2019 (NotSt (Brfg) 6/18) mangels Zuständigkeit zur Ahndung von Verfehlungen eines Anwaltsnotars (veröffentlicht in: NJW-RR 2020, 240 ff.).
Mit der im vorliegenden Verfahren angegriffenen Disziplinarverfügung vom 8.7.2020 (I W 433 Sdh. VI), zugestellt am 14.7.2020, hat der Beklagte gegen den Kläger eine Geldbuße in Höhe von 350,00 EUR verhängt und ihm die durch die Vorermittlungen entstandenen Kosten auferlegt. Dabei ist der Beklagte zum einen von einem Verstoß des Klägers gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BeurkG durch Beurkundung eines Wohnungskaufvertrags am 25.2.2019 (UR-Nr. 11/2019) ausgegangen, bei welcher der mit dem Kläger zur gemeinsamen Berufsausübung verbundene Rechtsanwalt Dr. B als vollmachtloser Vertreter der Verkäufer auftrat. Trotz des in der Urkunde aufgenommenen Passus' ("Der Erschienene zu 1) erklärte, dass er sich um die jeweilige Genehmigung der von ihm heute vertretenen Partei bemühen werde, dafür aber nicht einstehen könne.") seien eventuelle Schadensersatzansprüche des vollmachtlosen Vertreters gegenüber dem Geschäftsherrn nicht ausgeschlossen, so dass der Vertreter i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BeurkG materiell an der Angelegenheit beteiligt gewesen sei. Zum anderen hat der Beklagte dem Kläger vorgeworfen, den Kaufpreis aus dem am 23.2.2017 beurkundeten Wohnungskaufvertrag (UR-Nr. 70/2017) verfrüht fällig gestellt zu haben, weil zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Unterschriftsbeglaubigungen aller Wohnungseigentümer für die im Umlaufverfahren beschlossene Verwalterbestellung vorlagen. Bei der Sanktionsauswahl und -bemessung hat der Beklagte zugunsten des Klägers berücksichtigt, dass kein Schaden eingetreten ist und von fahrlässigem Handeln auszugehen sein dürfte. Zu Lasten des Klägers wurde bewertet, dass die strikte Beachtung der Fälligkeitsvoraussetzungen zum Kernbereich notarieller Tätigkeit gehört und insoweit bereits eine Missbilligung erfolgte. Wegen der weiteren Einzelheiten des zugrunde gelegten Sachverhalts und der rechtlichen Würdigung des Beklagten wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid (Bl. 5 ff. GA) verwiesen.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner am 14.7.2020 eingegangenen und mit Schriftsatz vom 31.8.2020 begründeten Klage. Der Kläger meint, dass es sich bei dem Vertrag vom 25.2.2019 nicht um eine eigene Angelegenheit von Rechtsanwalt Dr. B im materiellen Sinne gehandelt habe, weil es dafür auch nach der vom Beklagten herangezogenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle einer unmittelbaren Begründung, Erweiterung oder Verminderung von Rechten, Pflichten oder Verbindlichkeiten des Beteiligten bedürfe. Auch der dort angesprochene theoretische Haftungsfall sei vorliegend ausgeschlossen gewesen, zumal das vollmachtlose Handeln im Interesse der Vertragspartien gelegen habe und rückwirkend genehmigt wurde. Weiter ist der Kläger der Auffassung, dass auch bei einem im Umlaufverfahren gefassten Beschluss einer Wohnungseigentumsgemeinschaft keine Beglaubigung der Unterschriften aller Eigentümer erforderlich sei, um die Voraussetzungen des § 29 GBO zu erfüllen, sondern gemäß § 26 Abs. 3 WEG unabhängig davon, ob es sich um eine Präsenzveranstaltung oder einen Umlaufbeschluss handele, nur die Unterschriften der in § 24 Abs. 6 WEG bezeichneten Personen öffentlich beglaubigt werden müssten. Diese Voraussetzungen seien in Bezug auf das Protokoll vom 15.9.2014 bei Fälligstellung des Kaufpreises erfüllt gewesen. Der vom Beklagten herangezogenen vereinzelt gebliebenen Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 23.1.1986 sei nicht zu folgen, weil sie nicht mit dem Gesetzeswortlaut in Einklang stehe. Jedenfalls fehle es an einem Verschulden, da diese Entscheidung ledigl...