Entscheidungsstichwort (Thema)
Leasingvertrag. AGB. LÖSUNGSRECHT
Leitsatz (amtlich)
Die Überbürdung der Preis- und Sachgefahr in AGB eines Leasingvertrages auf den Leasingnehmer verstößt gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG, wenn dem Leasingnehmer für den Fall des völligen Verlustes des Leasingobjekts nicht ein vorzeitiges Lösungsrecht von dem Vertrag eingeräumt wird.
Normenkette
BGB §§ 3, 323 Abs. 1, § 542; AGBG § 9 Abs. 2 Nr. 1; OLGR §§ 93, 33; VERSR §§ 93, 708; NJW §§ 93, 1273
Verfahrensgang
LG Aachen (Urteil vom 06.05.1992; Aktenzeichen 4 O 70/92) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 6. Mai 1992 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Aachen – 4 O 70/92 – wird zurückgewiesen. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung der noch ausstehenden abgezinsten Leasingraten, des Restwertes des Fahrzeuges und der Vorfälligkeitsentschädigung verneint, nachdem der von dem Beklagten zu 1) geleaste PKW in der Zeit vom 9. Juni bis 10. Juni 1991 entwendet wurde. Die Parteien stimmen darin überein, daß den Beklagten zu 1) kein Verschulden an dem Diebstahl trifft, weil er das Fahrzeug ordnungsgemäß verschlossen abgestellt hatte. Der Diebstahl des Fahrzeugs führt bei Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen zum Fortfall der Pflicht des Beklagten zu 1), die vereinbarten Leasingraten zu zahlen. Das folgt aus § 323 Abs. 1 BGB. Der Leasingvertrag ist ein gegenseitiger Vertrag, der die Klägerin verpflichtete, dem Beklagten zu 1) den Gebrauch des PKWs zu gewähren, und diesen, das vereinbarte monatliche Entgelt hierfür zu zahlen. Infolge des Diebstahls wurde die der Klägerin obliegende Leistung möglich. Die Unmöglichkeit ist von keiner der beiden Parteien zu vertreten, so daß der Beklagte zu 1) von seiner Zahlungspflicht befreit wurde.
An dieser gesetzlichen Rechtslage hat sich durch Vereinbarung der Parteien nichts geändert. Allerdings ist in Nr. 9.1 der dem Vertrag zugrundeliegenden Leasingbedingungen der Klägerin bestimmt, daß die Gefahr des zufälligen Unterganges, Verlustes und Diebstahls der Leasingnehmer, also der Beklagte zu 1) trägt. Ferner heißt es darin, ein solches Ereignis entbinde den Leasingnehmer nicht, die vereinbarten Leasingraten zu zahlen und die sonstigen im Vertrag übernommenen Verpflichtungen zu erfüllen. Durch diese Bestimmung sollte die Preis- und Sachgefahr dem Beklagten zu 1) auferlegt werden. Bei wirksamer Überbürdung dieser Gefahr wäre damit § 323 Abs. 1 BGB unanwendbar.
Indessen ist die genannte Vereinbarung unwirksam, weil sie hier gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG verstößt.
Allerdings geht die Rechtsprechung grundsätzlich davon aus, daß die Überwälzung der Preis- und Sachgefahr auf den Leasingnehmer regelmäßig nicht zu beanstanden ist, weil sie als leasingtypisch anzusehen sei (vgl. BGH NJW 1987, 377; 1992, 683). Ob dem uneingeschränkt zu folgen ist, mag bezweifelt werden. Die Überwälzung der Gefahr des Diebstahls auf den Leasingnehmer führt dazu, daß dieser im Falle der Entwendung an den Leasinggeber die ausstehenden Leasingraten zu zahlen hat – möglicherweise allerdings nur abgezinst – und den vereinbarten Restwert erstatten muß. Die für ein Leasingfahrzeug regelmäßig abzuschließende Vollkaskoversicherung erstattet hingegen bei Diebstahl nur den Fahrzeugwert. Dieser Wertersatz wird immer dann hinter der Zahlungsverpflichtung des Leasingnehmers zurückbleiben, wenn der Diebstahl sich zu Beginn des Leasingzeitraums ereignet. Denn die vereinbarten Leasingraten decken nicht nur den Fahrzeugwert (abzüglich des Restwertes) ab, sondern auch die Refinanzierungs- und sonstigen Kosten der Klägerin und enthalten einen Gewinn. Das bedeutet, daß der Leasingnehmer in einem solchen Falle nicht unerhebliche Beträge an den Leasinggeber zu zahlen hat, wie auch der hier zu entscheidende Rechtsstreit zeigt. Ob diese Rechtsfolge dem durchschnittlichen Leasingnehmer aus einer Klausel, die ihm die Sach- und Preisgefahr aufbürdet, klar wird, kann bezweifelt werden. Hieraus könnten sich Bedenken gegen die Auffassung ergeben, grundsätzlich verstoße eine solche Vereinbarung nicht gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG.
Das braucht indes hier nicht vertieft und entschieden zu werden. Denn die Klausel hält dem AGBG nur dann stand, wenn für den Fall des völligen Verlustes des Fahrzeugs der Leasingnehmer sich von dem Vertrag vorzeitig lösen kann. Ein solches Lösungsrecht muß ihm eingeräumt werden, weil für ihn bei völligem Verlust der Sache der Zweck des Vertrages, nämlich ein Fahrzeug zur Nutzung zur Verfügung zu haben, unerreichbar ist. Es ist deshalb jedenfalls dann unangemessen, auf ihn die Sach- und Preisgefahr vollständig abzuwälzen, ihn aber gleichwohl am Vertrage festzuhalten, wenn die Sache untergeht (vgl. BGH a.a.O.).
Aus den Leasingbedingungen der Klägerin ergibt sich, daß der Beklagte zu 1) im Falle des Diebstahls sich nicht vorz...