Leitsatz (amtlich)

Verletzt der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit arglistig, so ist der Versicherer auch dann leistungsfrei, wenn eine Belehrung nach § 28 Abs. 4 VVG fehlt.

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 29.10.2012; Aktenzeichen 26 O 301/11)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 29.10.2012 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des LG Köln - 26 O 301/11 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Das LG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Offen bleiben kann, ob die Annahme des LG zutreffend ist, dass es an einer fristgerechten ärztlichen Invaliditätsfeststellung fehlt. Prof. C hat in seinem innerhalb der hier vereinbarten Frist von 24 Monaten nach dem Unfallereignis erstellten weiteren orthopädischen Gutachten vom 21.10.2011 eine dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit als Folge des erlittenen Unfalls festgestellt. Zwar kann zur Bemessung des Grades der Invalidität nach den AUB grundsätzlich nicht auf den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit abgestellt werden. Für die ärztliche Invaliditätsfeststellung kommt es auf das Ausmaß der Schädigung indes nicht an, sondern nur darauf, ob überhaupt eine dauerhafte unfallbedingte Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit vorliegt. Eine solche Feststellung dürfte auch die Annahme einer Minderung der Erwerbsfähigkeit beinhalten, denn diese setzt gem. § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII gerade eine (dauerhafte) Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens voraus (vgl. OLG Düsseldorf, ZfS 2006, 523; OLG Oldenburg, NVersZ 2000, 333; Leverenz in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., AUB 2008 Ziff. 2.1, Rz. 95; Kloth, Private Unfallversicherung, Rz. G 28). Dies bedarf aber keiner abschließenden Entscheidung durch den Senat.

Das LG hat die Beklagte des weiteren deswegen als leistungsfrei angesehen, weil der Kläger in der Unfall-Schadenanzeige vom 25.4.2010 Vorschädigungen bzw. Vorerkrankungen im Bereich des Rückens (Lumboischialgien) vorsätzlich verschwiegen habe. Dabei ist das LG davon ausgegangen, dass der Kläger, wie es § 28 Abs. 4 VVG bei einer hier in Rede stehenden Auskunftsobliegenheit verlangt, von der Beklagten ordnungsgemäß auf die Rechtsfolge des Leistungsverlustes hingewiesen worden ist. Das trifft unter Zugrundelegung der neueren Rechtsprechung des BGH (VersR 2013, 297), der der Senat folgt, nicht zu. Danach kann eine von § 28 Abs. 4 VVG geforderte gesonderte Belehrung in Textform zwar auch innerhalb des Dokuments, in dem der Versicherungsnehmer die Auskunft erteilt, erfolgen. Die Belehrung muss aber sowohl drucktechnisch als auch hinsichtlich der Platzierung so ausgestaltet sein, dass sie vom Versicherungsnehmer nicht zu übersehen ist. Dem genügt die Belehrung in der Unfall-Schadenanzeige nicht. Sie ist drucktechnisch nicht besonders hervorgehoben und setzt sich auch nicht in anderer Weise deutlich vom übrigen Text ab.

Eine fehlende oder eine nicht ausreichende Belehrung führt indes dann nicht zur Leistungsfreiheit des Versicherers, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit - auch wenn diese folgenlos gewesen sein sollte, vgl. § 28 Abs. 3 Satz 2 VVG - arglistig verletzt hat. Das ergibt sich zwar aus dem Wortlaut des § 28 Abs. 4 VVG nicht unmittelbar. Schon nach früherer Rechtsprechung zum alten VVG galt aber der Versicherungsnehmer, der eine Obliegenheit arglistig verletzt hat, als nicht schutzwürdig, weil ihm bei arglistigem Vorgehen auch ohne Belehrung klar ist, dass seine Handlungsweise bei Aufdeckung erhebliche versicherungsrechtliche Nachteile zur Folge hat, und er sich auch bei einer Belehrung nicht von seinem Verhalten wird abbringen lassen (vgl. BGH, VersR 2009, 968 und VersR 1971, 241). Daran wollte der Gesetzgeber nichts ändern; vielmehr ist in der Gesetzesbegründung ausdrücklich festgehalten, dass es bei Arglist des Versicherungsnehmers keiner Belehrung nach § 28 Abs. 4 VVG bedarf (BT-Drucks. 16/3945, 69). Dass nach der Zweckrichtung des § 28 Abs. 4 VVG eine Rechtsfolgenbelehrung bei arglistigem Verschweigen entbehrlich ist, entspricht demgemäß der ganz herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum (LG Saarbrücken, VersR 2012, 98; LG Nürnberg-Fürth, VersR 2011, 1177; MünchKomm/VVG/Wandt, § 28 Rz. 350; Brömmelmeyer in: Schwintowski/Brömmelmeyer, VVG, 2. Aufl., § 28 Rz. 119; HK-VVG/Felsch, 2. Aufl., § 28 Rz. 214; Pohlmann in: Looschelders/Pohlmann, VVG, 2. Aufl., § 28 Rz. 127; Heiss in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 28 Rz. 182). Der Senat folgt dieser Auffassung (s. zur vergleichbaren Problematik bei Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gem. § 22 VVG bereits Senatsurt. v. 30.11.2012 - 20 U 89/12). Demgemäß kann sich ein arglistig handelnder Versicherungsnehmer erst recht a...

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