Leitsatz (amtlich)
Die Zulässigkeit einer Streitverkündung kann auf Antrag des dem Rechtsstreit nicht beitretenden belgischen Streitverkündeten allenfalls dann bereits im Ausgangsverfahren geprüft werden, wenn ein besonderes rechtliches Interesse für eine solche Prüfung dargelegt wird. Alleine die Tatsache, dass der Streitverkündete seinen Sitz im – zum Geltungsbereich des EuGVÜ bzw. des EuGVVO gehörenden – Ausland hat, rechtfertigt eine solche Prüfung nicht.
Normenkette
ZPO §§ 71-74; EuGVVO Art. 65; Protokoll vom 27.9.1968 zum EuGVÜ Art. V
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 18 O 458/97) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Streitverkündeten gegen das Zwischenurteil der 18. Zivilkammer des LG Köln v. 22.2.2002 –18 O 458/97 wird auf Kosten der Streitverkündeten zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Kläger kaufte von dem Beklagten einen Pkw, der ihm in Vollzug des Kaufvertrages übergeben wurde. Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Kaufvertrages i.H.v. 48.200 DM geltend. Er behauptet, er habe an dem Fahrzeug kein Eigentum erworben; das Fahrzeug sei nämlich einem früheren Eigentümer in Belgien gestohlen worden. Der Beklagte begehrt Abweisung der Klage. Er behauptet, der Diebstahl sei von einem früheren Eigentümer in betrügerischer Absicht nur vorgetäuscht worden, um von dem streitverkündeten belgischen Versicherer die bei einem Diebstahl anfallende Versicherungssumme zu erlangen.
Die Streitverkündete hat den dem früheren Eigentümer durch den angeblichen Diebstahl entstandenen vermeintlichen Schaden reguliert. Die deutschen Polizeibehörden gaben das Fahrzeug, das zunächst sichergestellt worden war, an die Streitverkündete heraus.
Der Kläger hat der Streitverkündeten mit der Aufforderung, dem Rechtsstreit auf seiner Seite beizutreten, den Streit verkündet; er ist der Ansicht, er könne bei der Streitverkündeten Rückgriff nehmen, wenn sich im vorliegenden Rechtsstreit heraus stellt, dass ein Diebstahl nicht zu beweisen ist.
Die Streitverkündete ist der Ansicht, die Zulässigkeit einer Streitverkündung sei analog § 71 ZPO bereits im Ausgangsprozess zu prüfen, wenn der Streitverkündete seinen Sitz im Ausland habe. In Belgien, wo ein etwaiger Folgeprozess gegen sie zu führen sei, sei das Institut der Streitverkündung unbekannt.
Die Streitverkündete hat beantragt, die Streitverkündung zurückzuweisen. Der Kläger hat um Zurückweisung dieses Antrags gebeten. Er hält den Antrag für unzulässig.
Das LG hat den Antrag der Streitverkündeten durch das angefochtene Zwischenurteil zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Streitverkündeten.
II. Die gem. § 71 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Das LG hat den Antrag der Streitverkündeten auf Zurückweisung der Streitverkündung zu Recht zurückgewiesen.
Der Antrag ist jedenfalls unter den konkreten Umständen des vorliegenden Falls unzulässig.
1. Die Zulässigkeit der Streitverkündung ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH, der der Senat folgt, erst im Folgeprozess zu prüfen (vgl. nur BGHZ 36, 212 [217] = MDR 1962, 200; BGH v. 14.11.1991 – I ZR 236/89, BGHZ 116, 95 [98] = MDR 1992, 516; ferner: Schilken in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 72 Rz. 17; Zöller/Vollkommer, 23. Aufl., § 72 Rz. 1; jeweils mit weiteren Nachweisen). Einen Antrag des nicht beitretenden Streitverkündeten auf Zurückweisung der Streitverkündung kennt das Gesetz nicht.
2. Allerdings wird die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen der Streitverkündung seien bereits im inländischen Hauptprozess zu prüfen, wenn der Folgeprozess im Ausland stattfinde (Zöller/Vollkommer, 23. Aufl., § 72 Rz. 2). Vollkommer stützt diese allgemein gehaltene Aussage auf einen Aufsatz von Hoffmann und Hau (RIW 1997, 89 ff.). Dieser beschäftigt sich mit den Problemen der abredewidrigen Streitverkündung im europäischen Zivilrechtsverkehr. Die Verfasser legen hier dar, dass der allgemeinen Meinung, wonach die Zulässigkeit der Streitverkündung erst im Folgeprozess zu prüfen ist, für den rein innerstaatlichen Bereich zuzustimmen sei, dass aber Ausnahmen geboten sein könnten, wenn der Sachverhalt Bezüge zu mehreren Staaten aufweist, die Regressklage gegen den Streitverkündeten nur im Ausland erhoben werden kann und ihm aufgrund dieser Sachlage möglicherweise Rechtsnachteile drohen, denen durch eine Prüfung der Zulässigkeit der Streitverkündung im Erstprozess entgegen gewirkt werden kann (RIW 1997, 89 [92 ff.]). Abschließend gelangen die Verfasser keinesfalls zu der von Vollkommer dargestellten allgemeinen Aussage; vielmehr gelangen sie zu folgendem Ergebnis (RIW 1997, 89 [94]): Es sei notwendig, in Abweichung von der gängigen Praxis in bestimmten Fällen bereits im Ausgangsprozess die Wirksamkeit der Streitverkündung zu überprüfen; als Ausnahmefall kämen insbesondere Sachverhalte in Betracht, in denen der Regressprozess nicht im Inland stattfinden könne und in denen es einem später angerufenen ausländischen Gericht verwehrt sei, diese Überprü...