Leitsatz (amtlich)

Die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG a.F. hat auch nach dem 31.12.2007 und damit unter grundsätzlicher Geltung des neuen VVG noch wirksam gesetzt werden können.

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Urteil vom 20.11.2009; Aktenzeichen 9 O 103/09)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 08.02.2012; Aktenzeichen IV ZR 223/10)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 20.11.2009 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Aachen - 9 O 103/09 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Berufsunfähigkeitsversicherung und begehrt bedingungsgemäße Rentenzahlung für den Zeitraum von Juni 2007 bis Juli 2008 aufgrund einer nach ihren Angaben im März 2007 eingetretenen Berufsunfähigkeit wegen reaktiver Depressionen und Angstzuständen. Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 28.5.2008 den Rücktritt vom Vertrag sowie die Anfechtung wegen falscher Angaben im Versicherungsantrag. In diesem Schreiben wies sie die Klägerin darauf hin, dass Ansprüche innerhalb von sechs Monaten nach dessen Zugang gerichtlich geltend gemacht werden müssten. Später verlängerte sie die Frist bis zum 28.2.2009. Wegen des weiter zugrunde liegenden Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 18.950,82 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 28.5.2008 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe die seitens der Beklagten mit Schreiben vom 28.5.2008 gesetzte und bis zum Samstag, den 28.2.2009 verlängerte Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG a.F. nicht gewahrt. Die am Montag, dem 2.3.2009 per Telefax bei Gericht eingegangene Klage sei der Beklagten durch Verschulden des Klägervertreters erst am 9.7.2009 und damit nicht mehr "demnächst" zugestellt worden, so dass eine Rückwirkung gem. § 167 ZPO ausscheide. Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen die Annahme der Verfristung gem. § 12 Abs. 3 VVG a.F. und meint, aus der Entscheidung des BGH vom 19.10.1977 (BGHZ 69, 361) ergebe sich entgegen der Ansicht des LG mangelndes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten mit der Folge, dass die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG a.F. gewahrt sei.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Aachen vom 20.11.2009 die Beklagte zu verurteilen, an sie 18.950,82 EUR zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 28.5.2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und vertieft dieses.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Berufsunfähigkeitsrente für den Zeitraum von Juni 2007 bis Juli 2008 nicht zu. Die Beklagte ist leistungsfrei gem. § 12 Abs. 3 VVG a.F., da die Klägerin die ihr wirksam gesetzte, unstreitig bis zum 28.2.2009 letztmalig verlängerte Klagefrist versäumt hat.

1. Die Beklagte konnte mit ihrem Schreiben an die Klägerin vom 28.5.2008 noch wirksam eine Klagefrist gem. § 12 Abs. 3 VVG a.F. setzen.

Zwar sieht das Versicherungsvertragsgesetz in seiner seit dem 1.1.2008 geltenden Fassung keine Klageausschlussfrist mehr vor; § 12 Abs. 3 VVG a.F. wurde im Rahmen der Neuregelung des Versicherungsvertragsrechts ersatzlos gestrichen.

Das führt zu der bislang - soweit ersichtlich - obergerichtlich noch nicht entschiedenen Frage, ob die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG a.F. auch nach dem 31.12.2007 und damit unter grundsätzlicher Geltung des neuen VVG noch wirksam gesetzt werden konnte.

a) In den Übergangsvorschriften des EGVVG findet sich eine ausdrückliche Regelung zu § 12 Abs. 3 VVG a.F. lediglich für solche Klagefristen, die vor dem 1.1.2008 und damit unter Geltung des alten VVG zu laufen begonnen haben. Art. 1 Abs. 4 EGVVG bestimmt dazu, dass für solche Fristen § 12 Abs. 3 VVG a.F. auch nach dem 1.1.2008 noch Anwendung findet. Eine im Jahr 2007 gesetzte Klagefrist gem. § 12 Abs. 3 VVG a.F. lief demnach im Jahr 2008 weiter. Vom Wortlaut des Art. 1 Abs. 4 EGVVG ist die hier streitgegenständliche Konstellation einer erst im Jahre 2008 gesetzten Klagefrist im Rahmen eines "Altvertrages" i.S.d. Art. 1 Abs. 1 EGVVG zumindest vordergründig nicht erfasst.

b) Ein Teil der Literatur nimmt jedoch an, bei Art. 1 ...

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