Leitsatz (amtlich)

›1. Bei einer Kollision eines Pkw mit einem Fußgänger, der eine innerörtliche Straße bei Dunkelheit von links nach rechts bereits weitgehend überquert hat, spricht ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Fahrzeugführers.

2. Den Fußgänger trifft ein Mitverschulden (hier: 1/3), wenn er die Straße betreten hat, obwohl er sich nicht sicher sein konnte, dass er die gegenüberliegende Straßenseite vor dem herannahenden Pkw erreichen werde.

3. Trotz der Darlegungserleichterungen der §§ 252 S. 2 BGB, 287 Abs. 1 S. 2 ZPO hat ein selbständiger Unternehmer zur schlüssigen Darlegung eines Verdienstausfallschadens Anknüpfungstatsachen für eine Schadensschätzung oder ein einzuholendes Sachverständigengutachten so konkret zu bezeichnen, daß sich hieraus zumindest greifbare Anhaltspunkte für die Entstehung eines Schadens ergeben. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Ersatzbegehren daraus hergeleitet wird, daß es infolge des schädigenden Ereignisses nicht zur Ausweitung der Geschäftstätigkeit auf einen vorher noch nicht erschlossenen (Auslands-)Markt gekommen sei.

4. Ein Unternehmer, der berufsbedingt in erheblichem Umfang Fahrten mit seinem Pkw durchzuführen hat und nach einem Unfall wegen einer Handverletzung einige Zeit kein Fahrzeug steuern kann, kann nach § 254 Abs. 2 BGB gehalten sein, entweder andere Verkehrsmittel zu benutzen oder vorübergehend einen Fahrer einzustellen.

5. Schmerzensgeld von 4.000 DM [2.000 EUR] bei einer Haftungsquote von 2/3 zu 1/3 für einen ca. 60-jährigen Unternehmer wegen einer Fraktur am Daumengrundgelenk und einem Dauerschaden (20 % M.d.E.), der zu Beschwerden bei berufsbedingt notwendigen längeren Autofahrten führt.‹

 

Verfahrensgang

LG Köln (Entscheidung vom 17.06.1992; Aktenzeichen 23 O 668/91)

 

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 8. Januar 1990 in Köln-... ereignet hat.

Am Unfalltag überquerte der mit einem Lodenmantel bekleidete Kläger während eines Abendspaziergangs mit zwei Schäferhunden gegen 20.00 Uhr im Bereich der Einmündung des G.wegs die 7,5 m breite M. Straße. Hierbei wurde er auf nasser Fahrbahn von dem für ihn von rechts herannahenden und bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversicherten PKW Opel-Kadett, amtliches Kennzeichen ... des Beklagten zu 1. erfaßt und auf den gegenüberliegenden Gehweg geschleudert.

Die Unfallstelle befindet sich innerhalb der geschlossenen Ortslage von ...; die nächstgelegenen (Gelblicht-)Laternen stehen in einer Entfernung von ca. 20 m.

Durch den Unfall erlitt der Kläger, der Rechtshänder ist, neben einer Knieprellung und Schürfungen an der rechten Wange eine Bennett-Fraktur des linken Daumens, die nach ambulanter Versorgung noch am Unfalltag vom 15.-22. Januar 1990 im ... E.-Krankenhaus Köln-... operativ behandelt werden mußte. Ein weiterer stationärer Krankenhausaufenthalt erfolgte wegen der Entfernung einer Metallplatte vom 27.-29. November 1990.

Der Kläger stellt als selbständiger Unternehmer Uhrenarmbänder her. Sein Betriebsablauf ist in der Weise organisiert, daß er von Montags bis Donnerstags mit seinem PKW Kunden (Fachgeschäfte, Filialisten und Kaufhäuser) besucht und Freitags sowie an Wochenenden in der Produktion mitarbeitet sowie Büroarbeiten verrichtet. Ab Herbst 1989 kam es zu einer erheblichen Umsatzausweitung, weil er mit großem Erfolg extrabreite Stoffarmbänder für bunte Uhren ("...") auf den Markt brachte.

Nachdem der Kläger Ersatzansprüche gegenüber der Beklagten zu 2. geltend gemacht hatte, beauftragte diese den Sachverständigen G. mit der Feststellung eines etwaigen Verdienstausfallschadens. Dieser erstattete am 18. Juli 1991 ein schriftliches Gutachten, auf das verwiesen wird (GA 14-32). Ferner ließ sie wegen der von dem Kläger erlittenen Verletzungen Arztberichte einholen, auf die ebenfalls Bezug genommen wird (GA 8-12).

In der Folgezeit leistete die Beklagte zu 2. auf der Grundlage einer Haftungsquote von 2/3 zu 1/3 zu Gunsten des Klägers insgesamt 12.619,47 DM (2.000,00 DM Schmerzensgeld; 619,47 DM wegen einer nach Darstellung des Klägers bei dem Unfall verloren gegangenen Brille; 10.000,00 DM Verdienstausfall).

Der Kläger begehrt die Erstattung weitergehender Schäden.

Er hat gemeint, die Anrechnung einer Mithaftungsquote sei nicht gerechtfertigt. Hierzu hat er behauptet, bei Beginn dem Überquerens der Straße sei der PKW des Beklagten zu 1. noch ca. 80 m entfernt gewesen. Er sei von dem Fahrzeug erst erfaßt worden, als er mit dem rechten Bein bereits den gegenüberliegenden Bürgersteig betreten habe. Der Beklagte zu 1. sei mit überhöhter Geschwindigkeit, die auf diesem Teil der M. Straße nicht selten zu beobachten sei, ohne abzubremsen auf ihn zu gefahren und habe seinen PKW erst 21 m hinter der Unfallstelle zum Stillstand gebracht.

Seinen materiellen Schaden hat der Kläger wie folgt beziffert:

1.Verdienstausfall

a)Restliche Gewinneinbußen lt. Gutachten G. 5.000,00 DM

b)Schaden infolge entgangener Auslandsgeschäfte

gemäß näherer Spezifizierung mit Schriftsatz

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