Leitsatz (amtlich)
Der Begriff des Bandscheibenvorfalls im Sinne der Ausschlussklausel in den Bedingungen privater Unfallversicherungen ist weit auszulegen. Er erfasst alle degenerativen und traumatischen Veränderungen im Bandscheibenbereich sowie deren Folgezustände.
Verfahrensgang
LG Aachen (Urteil vom 02.10.2015; Aktenzeichen 9 O 133/12) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 02.10.2015 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Aachen - 9 O 133/12 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor einer Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger fordert von der Beklagten Leistungen aus einer privaten Unfallversicherung.
Der Kläger unterhält bei der Beklagten seit dem 01.5.2004 eine Unfallversicherung. Mit Nachtrag vom 01.2.2008 wurde die Invaliditätssumme auf 177.500.00 EUR angehoben. Ab einer Invalidität von 50 % ist eine monatliche Unfallrente in Höhe von 515,00 EUR versichert. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen 2000 (AUB) zugrunde.
Ziffer 5.2.1. AUB lautet:
"Ausgeschlossen sind außerdem folgende Beeinträchtigungen:
5.2.1. Schäden an Bandscheiben sowie Blutungen aus inneren Organen und Gehirnblutungen.
Versicherungsschutz besteht jedoch, wenn ein unter diesen Vertrag fallendes Unfallereignis nach Ziffer 1.3. die überwiegende Ursache ist."
Wegen der weiteren Einzelheiten der Versicherungsbedingungen wird auf Anlage 1 zur Klageschrift (Anlagenheft I) Bezug genommen.
Der Kläger meldete der Beklagten ein Unfallereignis vom 17.1.2008. Er sei bei dem Versuch, den von ihm gefahrenen Sattelschlepper zu verlassen, rückwärts auf den leicht gefrorenen und nassen Asphaltboden gestürzt und dabei verletzt worden.
Er wurde nach dem Ereignis in das Krankenhaus Ehingen gebracht. Dort wurden multiple Prellungen und der Verdacht einer Gehirnerschütterung diagnostiziert. Die behandelnde Neurologin stellte darüber hinaus eine Pyramidenbahnläsion im spinalen Rückenmark fest. Der Kläger litt bereits vor diesem Zeitpunkt an einer Spinalstenose (Verengung des Wirbelkanals).
Am 19.12.2008 wurde der Kläger in das Universitätsklinikum V verlegt und das dort erstellte MRT zeigte nach Angaben der Ärzte eine deutliche Spinalkanaleinengung mit teilweiser Myelonaffektion auf der Höhe C3/4, mit jedoch noch nicht vollständig aufgebrauchtem Reserveraum. Die Ärzte gingen von einem lateralen zervikalen Bandscheibenprolaps aus, der bereits seit längerer Zeit vorbestanden habe, und empfahlen eine Operation. Diese wurde in der neurochirurgischen Abteilung der Uniklinik N durchgeführt, wobei der Bandscheibenvorfall C 3/4 entfernt und eine knöcherne Dekompression der Foramina mit Abtragung der Osteophyten vorgenommen und anschließend eine Fusion durchgeführt wurde. Mit Bericht vom 30.3.2009 legte der behandelnde Arzt Dr. I dar, dass der Kläger an einer vollständigen Dekompression des traumatischen Bandscheibenvorfalls, einer Behebung der Spinalkanalstenose im Segment C3/4 und einem Achsenrechtsstand von C3 gegen C4 nach intervertebraler Fusion leide. Das Unfallereignis sei alleiniges auslösendes Moment der vorhandenen Querschnittssymptomatik.
Die Beklagte holte im Rahmen ihrer Leistungsprüfung ein Gutachten des Orthopäden Dr. U ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, ein Dauerschaden sei nicht eingetreten. Es bestehe lediglich eine unfallunabhängige degenerative Wirbelsäulenveränderung. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 10.11.2009 ihre Einstandspflicht ab.
Der Kläger begehrt nunmehr die volle Invaliditätssumme unter Zugrundelegung einer Progression in Höhe von 200 % ausgehend von einem Invaliditätsgrad von 60 % sowie eine monatliche Invaliditätsrente in Höhe von 515,00 EUR.
Der Kläger hat behauptet, es habe sich bei dem Vorfall vom 17.12.2008 um ein bedingungsgemäßes Unfallereignis gehandelt. Er habe aufgrund dessen einen lateralen cervikalen Bandscheibenprolaps erlitten. Durch das Trauma sei es zu einer akut eingesetzten Einengung des Rückenmarks gekommen, die zur Verschlechterung der Symptomatik geführt habe. Seine Leistungsfähigkeit sei daher auf Dauer wegen der Spinalkanalstenose (Rückenmarksverengung) um 60 % eingeschränkt.
Der Kläger hatte ursprünglich mit dem Klageantrag zu 1 beantragt, die Beklagte zur Zahlung in Höhe von 319.500,00 EUR zu verurteilen. Mit Schriftsatz vom 10.2.2011, eingegangen bei Gericht am 11.2.2011, hat er den Klageantrag zu 1) reduziert.
Er hat sodann beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
1. an ihn 213.000,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus seit dem 17.3.2010 zu zahlen;
2. an ihn 12.875,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten aus 2.060,00 EUR seit dem 17.3.2010 sowie Zinsen in Höhe von 5 Pr...