Entscheidungsstichwort (Thema)
Anhörung des Versicherungsnehmers, Nachweis des äußeren Bildes des Diebstahls; Keine Anhörung des Versicherungsnehmers nach § 141 ZPO zum Diebstahlsnachweis bei mangelnder Glaubwürdigkeit
Leitsatz (amtlich)
Eine Anhörung des Versicherungsnehmers zum äußeren Bild des Diebstahls gem. § 141 ZPO hat zu unterbleiben, wenn schwerwiegende Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit bestehen. Solche Zweifel können sich insbesondere auch aus strafrechtlichen Verurteilungen ergeben, die im Bundeszentralregister noch nicht getilgt sind.
Normenkette
VVG §§ 1, 49; AKB § 12 Abs. 1 S. 1b; ZPO § 141
Verfahrensgang
LG Bonn (Aktenzeichen 9 O 277/00) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16.11.2000 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Bonn – 9 O 277/00 – geändert und neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Der Kläger hat wegen der behaupteten Entwendung des Motorrads der Marke Y. R6 mit dem amtlichen Kennzeichen..-.. 26 keinen Anspruch aus der Kaskoversicherung, §§ 1, 49 VVG i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 1b AKB. Einen Diebstahl des Zweirades vermag der Kläger nicht zu beweisen. Die vom LG vorgenommene Anhörung darf nicht berücksichtigt werden, und eine erneute Anhörung ist nicht angezeigt, weil der Kläger unglaubwürdig ist.
Die Rechtsprechung gewährt dem Versicherungsnehmer, der grundsätzlich die tatbestandlichen Voraussetzungen seines Anspruchs beweisen muss (BGH v. 18.2.1987 – IVa ZR 196/85, VersR 1987, 1007), in Entwendungsfällen Beweiserleichterungen. Diese gelten insbesondere im Bereich der Kfz-Versicherung, weil in der Regel keine Zeugen zur Verfügung stehen, die einen behaupteten Diebstahl bestätigen könnten (ausführlich: Römer, NJW 1996, 2329ff m.N. zur Rechtsprechung). Es ist als genügend anzusehen, dass der Versicherungsnehmer Tatsachen vorträgt und gegebenenfalls beweist, aus denen sich das äußere Bild eines versicherten Diebstahls mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ergibt. Erforderlich ist insoweit, dass der Versicherungsnehmer beweist, das Fahrzeug an bestimmter Stelle abgestellt und später nicht wieder aufgefunden zu haben (BGH v. 17.3.1993 – IV ZR 11/92, VersR 1993, 571 = r+s 1993, 169; BGH v. 3.7.1991 – IV ZR 220/90, MDR 1991, 843 = VersR 1991, 1047 = r+s 1991, 294). Hinsichtlich dieser Minimaltatsachen ist der Vollbeweis zu erbringen. Beweiserleichterungen gibt es insoweit nicht.
Stehen dem Versicherungsnehmer – so wie dies hier der Fall ist – keine Zeugen zur Verfügung, um die genannten Mindesttatsachen zu beweisen, so kann eine Parteivernehmung gem. § 448 ZPO in Betracht kommen, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen, wenn also ausreichende Anhaltspunkte vorliegen, die die Behauptungen des Versicherungsnehmers in gewissem Maße wahrscheinlich machen. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Die Nachbarn, die der Kläger dazu benennt, dass er nach Entdeckung des Diebstahls „aufgelöst” gewesen sei, sind nicht zu vernehmen, weil die von ihnen zu bestätigenden Beobachtungen als Indiztatsachen nicht ausreichen, den Schluss auf einen Diebstahl zuzulassen. Abgesehen hiervon, kommt eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO auch deshalb nicht in Betracht, weil Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers bestehen (BGH v. 25.3.1992 – IV ZR 54/91, VersR 1992, 867 = r+s 1992, 221; BGH v. 24.4.1991 – IV ZR 172/90, MDR 1992, 137 = VersR 1991, 917 = r+s 1991, 221), wie noch auszuführen ist.
Letztlich kommt bei der hier gegebenen Sachlage zum Nachweis des äußeren Bildes nur eine Anhörung des Klägers gem. § 141 ZPO in Betracht (BGH v. 17.3.1993 – IV ZR 11/92, r+s 1993, 169 = VersR 1993, 571; BGH v. 25.3.1992 – IV ZR 54/91, r+s 1992, 221 = VersR 1992, 867), so wie sie vom LG vorgenommen wurde. Der Senat ist jedoch gehindert, das Ergebnis der Anhörung zu verwerten und ergänzend eine eigene Anhörung des Klägers vorzunehmen (zur ergänzenden Anhörung bestünde angesichts des Inhalts der Akten, insbesondere der Strafakten Anlass). Eine Anhörung des Klägers zum Diebstahl hat jedoch zu unterbleiben, sie kann hier nicht zu einer Verurteilung der Beklagten führen, denn es bestehen schwerwiegende Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit. Diese Zweifel ergeben sich in erster Linie aus den unstreitigen Vorstrafen des Klägers.
Bei der Entwicklung der oben dargestellten Rechtsprechung zu den Beweiserleichterungen ist der BGH davon ausgegangen, dass nicht der unredliche, sondern der redliche Versicherungsnehmer der Regelfall ist (BGH v. 5.10.1983 – IVa ZR 19/82, MDR 1984, 209 = VersR 1984, 29). Dieser Ausgangspunkt deckt sich mit dem Grundsatz der Unschuldsvermutung. Vom Regelfall des redlichen Versicherungsnehmers, dessen Angaben als Grundlage für eine Verurteilung des Versicherers genügen, kann aber dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn konkrete Tatsachen vorliegen, die den Versicherungsnehmer als unglaubwürdig erscheinen lassen oder Anlass zu schwerwiegenden Zwei...