Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung der Zahlung auf eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung
Leitsatz (amtlich)
Bei der Zahlung auf eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung kann eine gläubigerbenachteiligende Schuldnerhandlung in der Rückführung des Debetsaldos durch Abruf eines zuvor geschaffenen neuen Kreditvolumens liegen.
Normenkette
InsO § 133
Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 13.02.2006; Aktenzeichen 1 O 371/05) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 13.2.2006 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des LG Bonn - 1 O 371/05 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 73.328,78 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sei dem 20.7.2004 zu zahlen.
Das beklagte Land hat die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem beklagten Land wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach diesem Urteil beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Gründe
(Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gem. § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO)
I. Der Kläger nimmt das beklagte Land im Wege der Insolvenzanfechtung in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die S. O. N. und B. GmbH & Co. KG (nachfolgend als Schuldnerin bezeichnet) produzierte u.a. Messmaschinen. Der Vertrieb der Geräte erfolgte ausschließlich durch die A.-N.-U. GmbH (nachfolgend als A.-GmbH bezeichnet). Alleiniger Gesellschafter der Schuldnerin, ihrer Komplementärin sowie der A.-GmbH war Herr S. O.. Dieser war zudem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH sowie der A.-GmbH.
Die Schuldnerin bezahlte im zweiten Halbjahr 2003 nicht mehr ihre Steuerschulden. Dies führte dazu, dass das Finanzamt T. B. Vollstreckungsmaßnahmen einleitete. Unter dem 18.2.2004 erließ das beklagte Land wegen rückständiger Abgaben (Lohnsteuer, Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag, Umsatzsteuer sowie Säumniszuschläge aus der Zeit von September 2003 bis Dezember 2003) im Gesamtbetrag von 123.333,98 EUR (so die von dem beklagten Land an die Schuldnerin übersandte Aufstellung vom 26.2.2004; Kopie Bl. 59d. GA.) eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung i.H.v. 129.333,98 EUR (so die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des beklagten Landes; Kopie Bl. 66 f. d. GA.). Mit dieser wurden gem. §§ 309 ff. AO u.a. folgende angebliche Ansprüche der Schuldner gegen die WS-Bank S.-T. eG aus den dort geführten Konten gepfändet (Bl. 66d. GA.):
"Alle dem Vollstreckungsschuldner gegenwärtig und künftig gegen Sie [die WS-Bank] zustehenden Ansprüche, Forderungen und Rechte aus den bei Ihnen geführten Konten auf
- Zahlung des gegenwärtigen Überschusses und aller künftigen Überschüsse (Guthaben) bei Saldoziehung aus der in laufender Rechnung (Kontokorrent) bestehenden Geschäftsverbindung. Erfasst werden der Zustellungssaldo, der nächste und alle weiteren künftigen Aktivsalden, die sich jeweils zu den Rechnungsabschlüssen ergeben.
- Fortlaufende Auszahlung von Aktivsalden (Tagessalden) aufgrund des Girovertrages, Gutschrift aller Eingänge, Barabhebung, Durchführung von Überweisungen an sich und an Dritte.
- Auszahlung, Gutschrift oder Überweisung an sich und an Dritte von Kreditmitteln aus bereits abgeschlossenen und künftigen Kreditverträgen (z.B. Kredit oder Überziehungskredit ohne besondere Zweckbindung und Kredit für betriebliche Zwecke, falls Betriebssteuern geschuldet werden).
..."
Mit Schreiben vom 24.2.2004 gab die Bank nachfolgende Drittschuldnererklärung ab (Bl. 68 d. GA.):
- "Girokonto:
- Die gepfändeten kontokorrentgebundenen Forderungen werden als begründet anerkannt.
- Das Konto/die Konten haben wir für Sollbuchungen gesperrt.
- Das Konto/die Konten wies(en) bei Zustellung der Verfügung kein Guthaben aus.
- Soweit künftige Guthaben gepfändet wurden, haben wir die Pfändung vorgemerkt.
- Darlehenskonten:
- Die Kreditmittel sind zweckgebunden. Auszahlungen oder Gutschriften aus Kreditmitteln werden nicht vorgenommen.
- Ansprüche Dritter und Vorpfändungen:
- Ansprüche auf die gepfändeten Forderungen werden von anderen Personen nicht erhoben."
Die Schuldnerin war Inhaberin eines bei der WS-Bank geführten Girokontos mit der Nr. XXX. Ausweislich der Angaben auf den zu den Akten gereichten Kontoauszügen war ihr für dieses Konto ein Kreditlimit von 495.500 EUR bewilligt worden. Auf dieses Konto erfolgte am 4.3.2004 eine Zahlung der A.-GmbH i.H.v. 45.000 EUR mit der Zweckangabe "Umbuchung" (Kopie des Kontoauszuges Bl. 16d. GA.). Vor Eingang der Zahlung wies das Konto einen Saldostand von 499.994,73 EUR auf. Am 5.3.2004 wurde von dem Girokonto ein Betrag von 75.000 EUR an das beklagte Land überwiesen.
Nachdem die Bank erklärt hatte, auf die Pfändung keine weiteren Zahlungen leisten zu können, da das Konto kein Guthaben ausweise, stellte das Finanzamt T. B. mit Schreiben vom 8.3.2004 (Kopie Bl. 9 f. d. GA.), beim Insolvenzgericht eingegangen am 18.3.2005...