Verfahrensgang

LG Aachen (Aktenzeichen 10 O 461/18)

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 28.743,75 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.11.2018 Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs A A2, 2,0 TDI, Van, Fahrzeug-Ident.-Nr. WXXZZXXNZXX03XX43, zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Annahme des vorbezeichneten Fahrzeugs in Verzug befindet.

3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Anwaltskanzlei B & C in Höhe von 807,36 EUR freizustellen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

6. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von der Beklagten als Pkw-Herstellerin im Rahmen des sogenannten A-Abgasskandals im Wege des Schadensersatzes unter anderem die Rückzahlung des Kaufpreises und Feststellung des Annahmeverzuges im Zusammenhang mit einem Gebrauchtwagenkauf.

Der Kläger erwarb am 24.10.2016 von der Firma D Gruppe-A Zentrum D GmbH in D einen Pkw A 2.0 TDI 130 kW (177 PS), Erstzulassung 03.03.2015, zu einem Gesamtkaufpreis von 36.290,00 EUR. Der Kaufvertrag enthielt weder einen Hinweis auf die Betroffenheit des Motors vom "Dieselskandal" noch hat die Verkäuferin den Kläger darüber aufgeklärt.

Zum Zeitpunkt der Auslieferung an den Kläger wies das Fahrzeug einen Kilometerstand von 21.721 km sowie am Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 30.08.2019 einen Kilometerstand von 69.190 km auf.

Der in dem Fahrzeug verbaute, von der Beklagten entwickelte und hergestellte 2,0-Liter-Dieselmotor vom Typ EA 189 steht in Verbindung mit einer Software, die die Stickstoff-Emissionswerte im behördlichen Prüfverfahren optimiert. Das Motorsteuerungsgerät ermöglicht dabei zwei Betriebsmodi bei der Abgasrückführung, einen Stickstoff-optimierten Modus 1 mit einer relativ hohen Abgasrückführungsrate und einen Partikel-optimierten-Modus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer ist. Die Software des Motorsteuerungsgerätes verfügt über eine Fahrzykluserkennung, die erkennt, ob sich das Fahrzeug im üblichen Straßenverkehr oder auf einem technischen Prüfstand zur Ermittlung der Emissionswerte befindet. Während des Prüfstandtests spielt die eingebaute Software beim Stickstoff-Ausstoß dann das andere Motorprogramm ab, nämlich Modus 1 anstatt Modus 0, sodass hierdurch geringere Stickoxidwerte (im Folgenden: NOx) erzielt und die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte wie auch die nach der Euro-5-Abgasnorm vorgegebenen NOx-Grenzwerte eingehalten werden. Unter realen Fahrbedingungen im Straßenverkehr wird das Fahrzeug hingegen im Abgasrückführungs-Modus 0 betrieben.

Nach Bekanntwerden des Einsatzes des in der Öffentlichkeit als Manipulationssoftware bezeichneten Motorsteuerungsprogrammes in verschiedenen Diesel-Fahrzeugen verschiedener Herstellerfirmen, unter anderem der Beklagten, legte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) den Herstellerkonzernen im Herbst 2015 auf, die entsprechende Software aus allen Fahrzeugen zu entfernen. In der Folgezeit prüfte das KBA einen vorgelegten Maßnahmenplan und gab zeitlich gestaffelt die auf den jeweiligen Fahrzeugtyp abgestimmten Software-Updates frei. Auch ohne das Software-Update ist der streitgegenständliche Wagen fahrbereit und verkehrssicher. Zudem wurde die EG-Typengenehmigung nicht entzogen, wenngleich das KBA das Aufspielen der jeweiligen Software als verpflichtend ansieht. Die Beklagte selbst veröffentlichte am 22.09.2015 eine ad-hoc-Mitteilung und informierte hierin über die "Dieselthematik".

Mit Wirkung zum 20.12.2016 (vgl. Anlage B2, Bl. 125f. d.A.) genehmigte das KBA die technischen Maßnahmen für Fahrzeuge des Typs A 2.0l TDI wie den streitgegenständlichen Wagen. Der Kläger wurde über das Bereitstehen der Software-Lösung informiert und ließ die technische Maßnahme zu einem nicht bekannten Zeitpunkt durchführen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 08.11.2018 (Bl. 16f. d.A.) meldete der Kläger, der sich der Musterfeststellungsklage nicht angeschlossen hat, die nunmehr klageweise geltend gemachten Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten an und forderte diese unter Fristsetzung bis zum 22.11.2018 erfolglos zur Rückzahlung des Gesamtkaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung von 4.790,28 EUR für zurückgelegte gerundete 33.000 km Zug um Zug gegen Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs auf.

Mit der Beklagten am 15.01.2019 zugestellten Klage hat der Kläger behauptet, durch das von Seiten der Beklagten veranlasste Inverkehrbringen eines Motors mit nicht gesetzeskonformer Motorsteuerungssoftware einen Vermögensschaden erlitten zu haben, der darin bestehe, dass er in Unkenntnis dessen den streitgegenständlichen Pkw erworben und dam...

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