Verfahrensgang

LG Bonn (Aktenzeichen 9 O 472/18)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 17.06.2019 (Az.: 9 O 472/18) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.798,77 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.12.2018, Zug-um-Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeuges VW A 2,0 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer B, zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des genannten Fahrzeuges seit dem 06.12.2018 im Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, dem Kläger die durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 749,34 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.12.2018 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über Schadenersatz bezüglich des Erwerbs eines gebrauchten PKWs im Februar 2016, der von dem sogenannten Abgasskandal betroffen ist.

Der Kläger erwarb am 08.02.2016 von der C GmbH in D den streitgegenständlichen PKW VW A 2,0 TDI (FIN: B) mit einer Laufleistung von 31.709 km zum Kaufpreis von 30.499,00 EUR (Bl. 21 f. GA). Da der Kläger einen Teil des Kaufpreises finanzierte, entstanden ihm Gesamtkosten in Höhe von 31.898,82 EUR. Das in Rede stehende Fahrzeug verfügt über einen von der Beklagten entwickelten Dieselmotor des Typs EA 189. Dieser steht in Verbindung mit einer Software, die die Stickstoff-Emissionswerte im behördlichen Prüfverfahren optimiert. Das Motorsteuerungsgerät ermöglicht dabei zwei Betriebsmodi bei der Abgasrückführung, einen Stickstoff-optimierten Modus 1 mit einer relativ hohen Abgasrückführungsrate und einen Partikel-optimierten-Modus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer ist. Die Software des Motorsteuerungsgerätes verfügt über eine Fahrzykluserkennung, die erkennt, ob sich das Fahrzeug im üblichen Straßenverkehr oder auf einem technischen Prüfstand zur Ermittlung der Emissionswerte befindet. Während des Prüfstandtests spielt die eingebaute Software beim Stickstoff-Ausstoß dann das Motorprogramm im Modus 1 (anstatt des Modus 0) ab, sodass hierdurch geringere Stickoxidwerte erzielt und die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte wie auch die nach der Euro-5-Abgasnorm vorgegebenen Grenzwerte eingehalten werden. Unter realen Fahrbedingungen im Straßenverkehr wird das Fahrzeug hingegen im Modus 0 betrieben. Nach Bekanntwerden des Einsatzes des in der Öffentlichkeit als Manipulationssoftware bezeichneten Motorsteuerungsprogrammes in verschiedenen Diesel-Fahrzeugen verschiedener Herstellerfirmen, unter anderem der Beklagten, legte das Kraftfahrt-Bundesamt (nachfolgend "KBA") den Herstellerkonzernen im Herbst 2015 auf, die entsprechende Software aus allen Fahrzeugen zu entfernen. In der Folgezeit prüfte das KBA einen vorgelegten Maßnahmenplan und gab zeitlich gestaffelt die auf den jeweiligen Fahrzeugtyp abgestimmten Software-Updates frei. Auch ohne das Software-Update ist der streitgegenständliche Wagen fahrbereit und verkehrssicher. Zudem wurde die EG-Typengenehmigung nicht entzogen, wenngleich das KBA das Aufspielen der jeweiligen Software als verpflichtend ansieht. Die Beklagte selbst veröffentlichte am 22.09.2015 eine Ad-hoc-Mitteilung und informierte hierin über eine "Dieselthematik". Mit anwaltlichen Schreiben vom 21.11.2018 forderte der Kläger die Beklagte vergeblich zur Rückabwicklung des in Rede stehenden Kaufvertrages bis zum 05.12.2018 auf (Bl. 28 f. GA). Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 29.11.2019 wies das genannte Fahrzeug einen Kilometerstand von 111.286 km auf.

Mit der am 06.02.2019 zugestellten Klage hat der Kläger behauptet, er habe zum Zeitpunkt des Abschlusses des genannten Kaufvertrages keinerlei Kenntnis bezüglich der Täuschung der Beklagten über die Abgasrückführung des streitgegenständlichen PKWs gehabt. Er habe sich bei Abschluss des Kaufvertrages darauf verlassen, ein vorschriftsgemäßes, zulassungsfähiges Fahrzeug zu erwerben. Nach Bekanntwerden des Abgasskandals habe er darauf vertraut, dass das streitgegenständliche Fahrzeug den einschlägigen Rechtsvorschriften entspreche. Er sei dabei davon ausgegangen, dass ein nicht zulassungsfähiges Fahrzeug nicht weiter in den Verkehr gebracht werde, sondern durch den Hersteller oder den Staat umgehend aus dem Verkehr gezogen werden würde. Im Vertrauen hierauf habe er den Kaufpreis gezahlt. Die damaligen Vorstände der Beklagten hätten Kenntnis von der manipulierten Motorsteue...

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