Leitsatz (amtlich)
›1. Haftungsbegrenzungen bei sportlicher und spielerischer Betätigung kommen zumindest dann nicht in Betracht, wenn schon das Spiel als solches wegen seiner Gefährlichkeit unerlaubt ist (hier: Wurf mit einem Dart-Pfeil).
2. Für die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht i. S. des § 828 Abs. 2 BGB reicht es aus, wenn das allgemeine Verständnis dafür vorhanden ist. daß das Verhalten geeignet ist, Gefahren herbeizuführen.
3. Art und Umfang der gebotenen Aufsicht gem. § 832 Abs. 1 BGB richten sich nach Alter, Eigenarten und Charakter des Kindes und danach, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen in der konkreten Situation tun müssen, um Schädigungen Dritter zu verhindern.
4. Im Rahmen des billigen Ermessens gemäß § 847 BGB sind auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und in diesem Zusammenhang auch ein Versicherungsschutz zu berücksichtigen.
5. Schmerzensgeld von 70.000,-- DM bei linksseitiger Erblindung eines etwa 7 1/2 Jahre alten Kindes infolge Verletzung durch Wurfpfeil.‹
Gründe
ründe (Auszug):
Das vom LG auf 70000,-- DM festgesetzte Schmerzensgeld (§ 847 BGB) ist nicht zu hoch bemessen. Mit Recht hat das LG ausgeführt, daß dabei das Maß des Verschuldens (Genugtuungsfunktion) für sich allein nicht geeignet wäre, ein besonders hohes Schmerzensgeld zu rechtfertigen. Bei weitem im Vordergrund steht vielmehr die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes, und zwar nicht so sehr wegen des Krankenhausaufenthaltes und der Operationen, sondern vor allem wegen der in der linksseitigen Erblindung liegenden lebenslänglichen Beeinträchtigung, die das LG zutreffend beschrieben hat. Hierauf wird Bezug genommen, zumal auch die Parteien diese Begründung nicht in Zweifel ziehen.
Entgegen der Ansicht der Bekl. ist es nicht zu beanstanden, daß das LG auch das Bestehen einer Haftpflichtversicherung berücksichtigt hat. Hierdurch werden zwar das Genugtuungs- und das Ausgleichsbedürfnis nicht unmittelbar berührt. Es ist aber anerkannt, daß im Rahmen des billigen Ermessens auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers zu beachten sind und daß ein Versicherungsschutz ansonsten schlechte wirtschaftliche Verhältnisse kompensiert (vgl. BGHZ 18, 149, 167 ff.; BGH LM Nr. 11 a zu § 847 BGB); der Versicherungsschutz ist Bestandteil des Vermögens des Schädigers. Etwas anderes hat auch das LG nicht ausgesprochen. Darüber hinaus hat es bei der Festsetzung des Schmerzensgeldes zu Recht berücksichtigt, daß in der Vergangenheit eine Geldentwertung eingetreten ist und für die Zukunft eine weitere mit Sicherheit bevorsteht. Dem kommt gerade bei einem Ausgleich für Beeinträchtigungen, die bis zum Lebensende und damit wahrscheinlich über Jahrzehnte andauern, eine ins Gewicht fallende Bedeutung zu. Schließlich liegt ein Betrag von 70000,-- DM der Größenordnung nach (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 1990/990) im Bereich dessen, was in vergleichbaren Fällen zuerkannt worden ist. So hat das KG einem z. Zt. der Verletzung nicht ganz vier Jahre alten Mädchen 100000,-- DM zuerkannt (FamRZ 1992, 550). Durch einen Spielunfall war die Sehkraft auf einem Auge bis auf 8 % vermindert und traten an der Augenoberfläche Vernarbungen und neu gebildete Gefäße deutlich sichtbar hervor. Das KG hat das Verschulden der gem. § 832 BGB haftbar gemachten Mutter als nicht schwer bezeichnet und hat die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes in den Vordergrund gestellt. Bei der Festsetzung des Schmerzensgeldes im vorliegenden Fall ist die künftige Entwicklung berücksichtigt, soweit sie feststeht. Dazu gehört auch, inwieweit der Kl. Anlaß zur Besorgnis und zu besonderer Vorsicht hat.
Fundstellen
Haufe-Index 2994045 |
FamRZ 1994, 831 |
NJW-RR 1993, 1498 |
MDR 1993, 739 |
ZfS 1994, 83 |
DfS Nr. 1994/454 |
OLGReport-Köln 1993, 211 |