rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Absehen von Vernehmung eines „unerreichbaren” Zeugen nur unter engen Voraussetzungen
Leitsatz (amtlich)
Das Gericht hat die Pflicht zur möglichst vollständigen Aufklärung des Sachverhalts.
Zu der Annahme, ein Zeuge sei unerreichbar oder er wolle sich der Vernehmung auf Dauer entziehen, sind deswegen strenge Anforderungen zu stellen; sie rechtfertigt sich nur, wenn der Zeuge auf unabsehbare Zeit nicht erreichbar sein wird.
Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz ist ein schwerer Verfahrensmangel.
Normenkette
ZPO §§ 284, 286, 539
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 30.09.1999; Aktenzeichen 24 O 331/95) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 30.09.1999 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 24 O 331/95 – aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Köln zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens wird dem Landgericht übertragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin betreibt ein Leasingunternehmen. Sie verlangt auf Grund einer von der Leasingnehmerin mit der Beklagten abgeschlossenen Kaskoversicherung für einen BMW 850 i (amtliches Kennzeichen: …) Entschädigung wegen eines angeblichen Diebstahls vom 29.01.1994. Mit Leasingvertrag vom 30.03.1992 hatte die Klägerin den Kraftwagen an die U.V. GmbH verleast. Zu Gunsten der Klägerin wurde ein Sicherungsschein ausgestellt.
Die Klägerin hat behauptet, der Geschäftsführer der Leasingnehmerin, der Zeuge U.V., habe am 28.01.1994 das Fahrzeug gegen 18.30 Uhr hinter seiner Wohnung vor einer Garage abgestellt. Gegen 2.00 Uhr nachts sei der Wagen noch dort gesehen worden, als der Zeuge zu diesem Zeitpunkt aus dem Fenster geschaut habe. Am 29.01.1994 habe er gegen 8.15 Uhr festgestellt, dass das Fahrzeug gestohlen worden sei.
Der Wiederbeschaffungswert sei mit 100.000,– DM anzusetzen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 100.000,– DM nebst 12 % Zinsen seit dem 11.11.1995 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf den Ablauf der Frist nach § 12 Abs. 3 VVG berufen, weil sie bereits mit Schreiben vom 16.09.1994 den Versicherungsschutz versagt habe, die Klage aber erst am 25.10.1995 bei Gericht eingegangen sei. Außerdem hat die Beklagte die Entwendung bestritten. Es sei vielmehr von einem vorgetäuschten Diebstahl auszugehen. Die Leasingnehmerin sei nahezu „pleite” gewesen. Ein von der Beklagten beauftragter Sachverständiger habe die drei übergebenen Fahrzeugschlüssel überprüft. Danach hätten sämtliche Schlüssel Gebrauchsspuren aufgewiesen, der überreichte Nebenschlüssel und der Hauptschlüssel mit Infrarot – Fernbedienung hätten aber nicht zu dem als gestohlen gemeldeten Fahrzeug gehört. Der Zeuge V. habe bei seiner polizeilichen Vernehmung angegeben, dass er beim Kauf des Wagens drei Schlüssel erhalten hätte. In Wahrheit habe er aber vier Schlüssel erhalten. Außerdem habe der Zeuge V. bei der Polizei die Laufleistung mit 65.000 km, eine Woche später gegenüber der Beklagten mit 55.000 km angeben. Der Wiederbeschaffungswert betrage netto 78.608,70 DM.
Der Zeuge V. ist in den Terminen zur Beweisaufnahme vor der Kammer vom 05.12.1996, 13.11.1997, 13.8.1998, 18.02.1999 und 09.09.1999 nicht erschienen. Wegen der Einzelheiten der Umstände wird auf die jeweiligen Sitzungsniederschriften des Landgerichts verwiesen. Die Vorführung zu dem letzten Termin konnte nicht ausgeführt werden, weil der Zeuge inzwischen umgezogen war.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Klägerin habe den ihr obliegenden Beweis des äußeren Bildes des Diebstahls nicht erbringen können, da der einzige von ihr benannte Zeuge, der Geschäftsführer der Leasingnehmerin V., nicht erreichbar sei und durch sein Verhalten zu erkennen gegeben habe, dass er nicht bereit sei auszusagen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.
Gegen dieses ihren Prozeßbevollmächtigten am 05.10.1999 zugestellte Urteil des Landgerichts hat die Klägerin am 04.11.1999 Berufung eingelegt, die sie nach Fristverlängerung bis zum 06.02.2000 mit am 07.02.2000 (Montag) bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet hat.
Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht im Wesentlichen geltend, das Landgericht hätte jedenfalls die Klägerin als Anspruchsinhaberin zum äußeren Bild anhören müssen, wenn der einzige Zeuge nicht erscheine. Sie beruft sich weiterhin insoweit auf das Zeugnis des Zeugen V.. Da der Zeuge die weiteren Schlüssel zusammen mit anderen in einer Schublade aufbewahrt habe, sei es nicht ungewöhnlich, dass er auf Grund der Vielzahl der vorhandenen Schlüssel nicht mehr gewusst habe, wie viele und welche zu dem BMW 850i gehörten.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung nach ihren Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen,
hilfsweise ihr zu gestatten, eine Sicherheit auch durch Bürgschaft einer deutschen Großbank, oder öffentlichen Sparkasse zu...