Entscheidungsstichwort (Thema)
Disziplinarverfahren gegen einen Notar: Berufsrechtliche Verstöße eines Anwaltsnotars
Leitsatz (amtlich)
1. Beteiligt i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 7 BeurkG ist eine Person, wenn ihre Rechte und Pflichten durch den Urkundsvorgang unmittelbar betroffen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2004, NotZ 26/03). (Rn. 23)
2. Von einem Rechtsanwalt fordert die anwaltliche Standespflicht, in den Angelegenheiten, in denen er bereits als Notar tätig war, auf eine Vertretung im Zivilprozess zu verzichten. Ein derartiger Verstoß gegen das anwaltliche Tätigkeitsverbot stellt zugleich einen Verstoß gegen die notarielle Neutralitätspflicht dar. (Rn. 27)
3. Ein notarielles Disziplinarverfahren wegen der Übernahme eines zivilrechtlichen Mandats nach vorangegangener Beurkundung ist ausgeschlossen, wenn ein Übergewicht des notariellen Amtspflichtverstoßes gegen die Neutralitätspflicht nach § 14 Abs. 1 BNotO nicht festzustellen ist. (Rn. 31)
Normenkette
BeurkG § 3 Abs. 1 Nr. 7; BNotO § 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 2, §§ 95, 110 Abs. 1; BRAO § 45 Abs. 1 Nr. 1, § 118a
Tenor
1. Unter Abweisung der weitergehenden Klage wird die Disziplinarverfügung der Beklagten vom 01.03.2018 (I W 433 Sdh V) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Gegen den Kläger wird wegen schuldhafter Verletzung der ihm als Notar obliegenden Amtspflichten nach § 14 Abs. 1 S. 1 BNotO eine Geldbuße in Höhe von 750,00 EUR verhängt.
Wegen des Vorwurf, der Kläger habe durch die anwaltliche Vertretung der Gesellschafter A und B in den von Herrn C angestrengten Zivilverfahren vor dem Landgericht Münster gegen seine fortwirkende Neutralitätspflicht als Notar verstoßen, wird das durch Verfügung des Beklagten vom 12.06.2017 eingeleitete Disziplinarverfahren eingestellt.
2. Die durch die Vorermittlungen entstandenen Kosten und die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 3/8 und die Beklagte zu 5/8.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt jeweils nachgelassen, die Vollstreckung durch die Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.
5. Der Gegenstandswert für das Verfahren wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der im Jahr 1955 geborene Kläger ist seit Januar 1986 als Rechtsanwalt beim Amtsgericht Münster und zugleich beim Landgericht Münster zugelassen. Durch Urkunde vom 15.09.2000 wurde er durch den Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen zum Notar für den Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm unter Zuweisung des Amtssitzes in F bestellt und am 29.09.2000 gemäß § 13 BNotO vereidigt.
Gegenstand des vorliegenden Disziplinarverfahrens ist folgender Sachverhalt:
Im Jahre 2006 wurde die Firma D GmbH gegründet (Urk.-Nr. xx/2006 des Notars Dr. E in F). Gesellschafter zu je 1/3 und Geschäftsführer waren die Herren A, B und C. Nachfolgend kam es zu Differenzen zwischen den Gesellschaftern A und B einerseits sowie dem Gesellschafter C andererseits. Mit Schreiben vom 19.11.2015 luden die Gesellschafter A und B zu einer ordentlichen Gesellschafterversammlung ein, in der u.a. der Gesellschaftsanteil von Herrn C eingezogen werden sollte. Nachdem dieser insoweit remonstriert hatte, meldete sich Rechtsanwalt G aus der Kanzlei des Klägers "für die Gesellschaft" und teilte mit, es verbleibe bei dem auf den 04.12.2015 anberaumten Termin der Gesellschafterversammlung. In diesem Termin war auch der Kläger anwesend. Er verfügte über ein vorgefertigtes Gesellschafterversammlungsprotokoll und trat mit vorgefertigter Vollmacht für den Gesellschafter B auf. Er erklärte, als Vorsitzender der Gesellschafterversammlung auftreten und die Protokollführung übernehmen zu wollen und stimmte für den Gesellschafter B für die Einziehung des Gesellschaftsanteils des Herrn C unter Neubildung des Geschäftsanteils für die Gesellschaft. Im Anschluss an die Gesellschafterversammlung kam es zu einer weiteren außerordentlichen Gesellschafterversammlung der verbliebenen Gesellschafter A und B. Diese fand in den Kanzleiräumen des Klägers statt. In dieser wurde u.a. die Abberufung des Herrn C als Geschäftsführer beschlossen. Am gleichen Tag beurkundete der Kläger zur Urk.-Nr. 3xx/2015 die Unterschriften der Gesellschafter A und B zur Handelsregisteranmeldung bezüglich der Abberufung des Geschäftsführers C und übersandte diese zusammen mit der geänderten Gesellschafterliste an das zuständige Amtsgericht Steinfurt. Die Vorbefassungsfrage nach § 3 Abs. 1 Nr. 7 BeurkG war in der vorgenannten Urkunde ausdrücklich verneint worden. In der Folgezeit kam es zu Rechtsstreitigkeiten bezüglich der am 04.12.2015 gefassten Beschlüsse. So wurde von Herrn C zum Az. 25 O 111/15 LG Münster ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung anhängig gemacht, mit dem der Vollzug der Beschlüsse vom 04.12.2015 verhindert werden sollte. Am 29.12.2015 erhob Herr C Klage auf Anfechtung der Beschlüsse vom 04.12.201...