Entscheidungsstichwort (Thema)
Sittenwidrigkeit einer Eigentümererklärung im Rahmen eines Bier- und Getränkelieferungsvertrages
Leitsatz (amtlich)
Vereinbart ein Bier- oder Getränkelieferant mit dem Eigentümer/Verpächter einer Gaststätte, dass dieser nicht nur die Getränkebezugsverpflichtung des Pächters an die Rechtsnachfolger des Pächters oder des Eigentümers/Verpächters weiterzugeben hat, sondern auch die Darlehensverbindlichkeiten des Pächters ggü. dem Bier- und Getränkelieferanten, so kann dies die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Eigentümers/Verpächters so sehr einschränken, dass die Vereinbarung bei der gebotenen Gesamtbetrachtung wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nichtig ist.
Normenkette
BGB § 138
Verfahrensgang
LG Aachen (Urteil vom 31.03.2006; Aktenzeichen 12 O 321/05) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Aachen vom 31.3.2006 (12 O 321/05) dahin abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin, die eine Getränkegroßhandlung (im Folgenden GFB) betreibt, nimmt die Beklagte auf Schadensersatz aus einer am 28.5.2002 unterzeichneten Erklärung in Anspruch. Die Beklagte war zur damaligen Zeit Eigentümerin des Hauses B, Q-Straße 117, in dessen Erdgeschoss Herr N L aufgrund eines Mietvertrages vom 10.7.2002 mit der Beklagten ein Restaurant eröffnete. In diesem Zusammenhang wurden eine Darlehens- und Getränkelieferungsvereinbarung zwischen der Klägerin und Herrn L vom 26.4./24.5.2002 (Bl. 8-9 R d.A.) getroffen sowie die Bürgschaftserklärung eines Herrn C (Bl. 12 d.A.) und die Erklärung der Beklagten vom 28.5.2002 (Bl. 14 d.A.) abgegeben. In dieser Erklärung heißt es u.a.:
"1. Sollte der Mietvertrag zwischen mir und meinem Mieter beendet werden, bevor alle vertraglichen Verpflichtungen und gfs. Verbindlichkeiten aus dem vorerwähnten Darlehens- und Getränkebezugsvertrag ggü. dem GFB erfüllt sind, verpflichte ich mich, diese vertraglichen Verpflichtungen allen evtl. Miet-, Pacht- oder sonstigen Rechtsnachfolgern meines Mieters als meine eigene aufzuerlegen. Dies gilt entsprechend, wenn ich die Bewirtschaftung selbst übernehmen sollte.
2. Ich verpflichte mich außerdem, die o.g. Verpflichtungen meinen jeweiligen Voll- oder Teilrechtsnachfolgern in Besitz oder Eigentum oder aus einem sonstigen Rechtsverhältnis, in rechtswirksamer Form aufzuerlegen.
3. Ich bin bereit, die aufgrund dieser Verpflichtung mit Nachfolgern meines Mieters oder mit eigenen Rechtsnachfolgern abzuschließenden Verträge in der Weise abzufassen, dass der GFB daraus unmittelbare Rechte und Ansprüche erwerben soll ..."
Die Klägerin stellte Herrn L in Erfüllung der Darlehens- und Getränkelieferungsvereinbarung 35.000 EUR zur Verfügung, davon zahlte sie 20.000 EUR unmittelbar an den Inventarlieferanten zur Inventarisierung des Restaurants. Am 25.2.2003 kam es zwischen Herrn L, einem Herrn M und der Beklagten zu Vereinbarungen in Bezug auf die Räumlichkeiten und die Fortführung des Restaurants. Zum einen schlossen Herr L und Herr M einen Unterpachtvertrag, zum anderen vereinbarten alle drei Beteiligten, dass Herr M die gesamten Pachtzinsen unmittelbar an die Beklagte zu zahlen hatte. Im Falle der Nichterfüllung dieser Pflicht sollte L der Beklagten gegenüber haften. Nachdem die Klägerin den Wechsel in der Führung des Restaurants in Erfahrung gebracht hatte, erwirkte sie am 22.5.2003 eine Getränkebezugsverpflichtung des Herrn M, die jedoch nach einem Jahr - mangels Belehrung über das Widerrufsrecht - wirksam widerrufen wurde. Anschließend bezog Herr M von der Klägerin keine Getränke mehr. Herr L war nicht mehr aufzufinden, als die Klägerin ihn wegen der Rückzahlung des am 1.4.2004 vorzeitig fällig gestellten Darlehens in Anspruch nehmen wollte.
Die Klägerin hat die Feststellung beantragt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle Schäden zu ersetzen, die der Klägerin dadurch entstanden sind oder noch entstehen, dass a) die Beklagte dem derzeitigen Betreiber des Restaurants, Herrn M, die Getränkebezugsverpflichtung nicht wirksam auferlegt hat, und b), dass sie das Objekt an einen Dritten veräußert hat, ohne dem Erwerber die Verpflichtung aufzuerlegen, dem jeweiligen Betreiber des Objektes die Getränkebezugsverpflichtung aufzuerlegen.
Das LG hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die in der Erklärung vom 28.5.2002 getroffene Vereinbarung sei wirksam und nicht sittenwidrig. Die Beklagte habe sich daher einerseits dadurch schadensersatzpflichtig gemacht, dass sie das Objekt weiter veräußert habe, ohne die Getränkebezugsverpflichtung weiter zu geben. Andererseits sei sie wegen der Beteiligung an dem Unterpachtvertrag zwischen Herrn L und Herrn M zum Schadensersatz verpflichtet. Der Unterpachtvertrag sei als Umgehungsgeschäft anzusehen; in Wirklichkeit habe es sich um die Auswechslung des Pächters gehandelt, so dass die Beklagte Herrn M die Getränkebezugsverpflichtung hätte auferlegen m...