Entscheidungsstichwort (Thema)

Autorecht. Fahrzeughalter muss Bedeutung der DOT-Nummer nicht kennen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Von einem durchschnittlichen Fahrzeughalter kann nicht erwartet werden, dass er aus der auf der Seitenwand eines Reifens eingetragenen Zahlenfolge (sog. DOT-Nummer) zutreffende Schlüsse auf das Herstellungsdatum eines Reifens zu ziehen vermag.

2. Von einem Autoverwerter, dessen Geschäft darin besteht, wiederverwertbare Teile aus Alt- oder Unfallfahrzeugen zwecks Weiterverkaufs auszusortieren und den Rest zu verschrotten, ist zu erwarten, dass ihm die Bedeutung der DOT-Nummer geläufig ist und er demzufolge Reifen, die wegen zu hohen Alters nicht mehr verkehrssicher sind, nicht mehr an einen privaten Kunden zum möglichen Einsatz im Straßenverkehr weiterverkauft. Darauf darf sich der Kunde verlassen. Er braucht daher den beim Händler gekauften gebrauchten Reifen nicht in einem Fachbetrieb auf seine Gebrauchstauglichkeit hin überprüfen zu lassen.

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Urteil vom 30.04.1998; Aktenzeichen 1 O 496/96)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 30.04.1998 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aachen – 1 O 496/96 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

– Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen. –

 

Gründe

Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Der Klägerin stehen aus dem Unfallereignis vom 10.09.1995 keine Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gemäß §§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB, 3 PflVersG gegen die Beklagten zu. Schadensersatzansprüche nach dem StVG aus reiner Gefährdungshaftung kommen nach § 8 a StVG nicht in Betracht.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht fest, dass der Beklagte zu 1) den Unfall schuldhaft verursacht hätte.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann dem Beklagten zu 1) nicht vorgeworfen werden, dass er die bei einem Autoverwerter gekauften gebrauchten Reifen nicht in einem Fachbetrieb auf ihre Gebrauchstauglichkeit hin hat überprüfen lassen. Das Landgericht stellt insofern zu hohe Sorgfaltsanforderungen an den Beklagten zu 1) als Normalkraftfahrer. Der Beklagte zu 1) konnte selbst die Mangelhaftigkeit des Reifens nicht feststellen. Das Reifenprofil war unstreitig gut erhalten. Von einem durchschnittlichen Fahrzeughalter kann auch nicht erwartet werden, dass er aus der auf der Seitenwand eines Reifens eingetragenen Zahlenfolge (sog. DOT-Nummer) zutreffende Schlüsse auf das Herstellungsdatum eines Reifens zu ziehen vermag (vgl. OLG Köln, r+s 91, 370; OLG Stuttgart, NZV 91, 68). Allein der Umstand, dass er die Reifen auf einem Schrottplatz erworben hatte, brauchte den Beklagten zu 1) nicht zu deren Überprüfung in einer Fachwerkstatt veranlassen. Er durfte vielmehr darauf vertrauen, dass der ihm von dem Händler angebotene Reifen noch gebrauchstauglich, insbesondere verkehrssicher war. Von dem Autoverwerter, dessen Geschäft darin besteht, wiederverwertbare Teile aus Alt- oder Unfallfahrzeugen zwecks Weiterverkaufs auszusortieren und den Rest zu verschrotten, war zu erwarten, dass ihm die Bedeutung der DOT-Nummer geläufig war und er demzufolge Reifen, die wegen zu hohen Alters nicht mehr verkehrssicher waren, nicht mehr an einen privaten Kunden zum möglichen Einsatz im Straßenverkehr weiterverkaufte. Darauf konnte sich der Beklagte zu 1) verlassen. Die Klägerin kann sich für ihre Auffassung, der Beklagte zu 1) hätte den Reifen fachmännisch überprüfen lassen müssen, auch nicht auf die Entscheidung des BGH NZV 98, 23 stützen. Der diesem Urteil zugrunde liegende Fall war anders gelagert. Dort war ein über 12 Jahre alter Unfallwagen von einem Privatmann für nur 400,00 DM erworben worden und die Mindestprofiltiefe des geplatzten Reifens war teilweise unterschritten. In einem solchen Fall mag tatsächlich Anlass bestehen, das Fahrzeug einschließlich des Reifens auf seine Verkehrssicherheit überprüfen zu lassen. Hier aber war der Reifen von einem Händler erworben worden, von dem der Beklagte zu 1) erwarten konnte, dass er ihn vor dem Verkauf auf seine Brauchbarkeit überprüft hatte. Unstreitig hatte der Reifen im vorliegenden Fall auch noch genügend Profil.

Auch der Luftverlust des Reifens brauchte den Beklagten zu 1) nicht zu veranlassen, ihn vor der Unfallfahrt in einer Werkstatt überprüfen zu lassen. Die Behauptung der Klägerin, der Reifen habe regelmäßig Luft verloren, ist nicht bewiesen. Der Beklagte zu 1) hat bei seiner Parteivernehmung ausgesagt, anlässlich einer Fahrt mit seinem Schwager, dem Vater der Klägerin, nach N., die ein oder zwei Tage vor dem Unfall stattgefunden habe, sei zum ersten Mal ein Luftverlust des fraglichen Reifens festgestellt worden. Er habe dann an einer Tankstelle Luft aufgefüllt und dies noch einmal am Unfalltag kontrolliert, dabei sei genügend Luft in dem Reifen gewesen. Entgegen der Auffassu...

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