Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassene Vorstellung zur Lebertransplantation
Leitsatz (amtlich)
1. Als behandlungsfehlerhaft kann das Unterlassen der Vorstellung eines Patienten zur Lebertransplantation erst angesehen werden, wenn nach dem sog. Child-Pugh-Score eine Mindestpunktzahl von sieben erreicht ist.
2. Zur Frage der Kausalität einer unterlassenen Überweisung in ein Transplantationszentrum bei Leberzirrhose und Leberkrebs.
Normenkette
BGB §§ 249, 280, 611, 823
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 24.03.2010; Aktenzeichen 25 O 505/06) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 24.3.2010 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des LG Köln - 25 O 505/06 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin nimmt die beklagten Ärzte, die ihren am 1.6.1946 geborenen und am 20.3.2003 an einer Lebererkrankung verstorbenen Ehemann (im Folgenden: Patient) behandelt haben, auf ererbtes Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht in Anspruch.
Als dem Patienten 1970 die rechte Niere entfernt wurde, erhielt er Bluttransfusionen, die wahrscheinlich zu einer Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus führten. Im Jahr 1976 wurde eine protrahiert verlaufende akute Hepatitis festgestellt, die in der Folgezeit chronisch persistierte. Während eines stationären Aufenthalts im Universitätsklinikum L im Jahr 1996 zeigte sich bei einer Biopsie unter der Diagnose einer Hepatitis C ein beginnender zirrhotischer Umbau der Leber. Die eingeleitete Behandlung mit dem antiviralen Mittel Interferon wurde wegen Verschlechterung einer bereits 1987 diagnostizierten Schuppenflechte (Psoriasis) abgebrochen.
Ab Februar 1999 behandelte der Beklagte zu 1), der damals als Facharzt für Innere Medizin die Praxis seines Vorgängers übernommen hatte, den Patienten. Nachdem Mitte des Jahres 1999 Unterschenkelödeme auftraten, verordnete er - wie auch wiederholt zu späteren Zeitpunkten - ein entwässerndes Medikament.
Am 11.1.2000 überwies der Beklagte zu 1) den Patienten an den Beklagten zu 3), der als niedergelassener Arzt mit dem Schwerpunkt Gastroenterologie tätig ist. Ausweislich der elektronisch geführten Patientenkartei des Beklagten zu 1) diente die Überweisung der Abklärung einer Behandlung mit Interferon/Ribavirin. Der Beklagte zu 3) führte am 20.1.2000 u.a. eine Sonografie, die inhomogene Leberbinnenechos ohne den Nachweis umschriebener Veränderungen ergab, und am 17.2.2000 eine Magenspiegelung durch. In dem Arztbrief vom 21.2.2000 heißt es unter Beurteilung:
"Als Komplikation der Zirrhose fanden wir Zeichen einer portalen Hypertension mit Splenomegalie und Ösophagusvarizen I. - II. Grades (ohne Blutungszeichen) sowie eine Thrombozytopenie (...). Auch ist die Leberfunktion zumindest geringgradig gestört bei erniedrigtem Quickwert, erniedrigter Cholinesterase und erhöhtem Gesamtbilirubin. Klinisch liegt noch ein Stadium Child A vor. Eine Interferon-Therapie musste bereits wegen Verschlechterung der ausgeprägten Psoriasis abgebrochen werden. Wir sehen deshalb zzt. keinen sinnvollen antiviralen Therapieansatz und empfehlen den weiteren Spontanverlauf der Erkrankung abzuwarten. Bei einer weiteren Progredienz der Erkrankung kommt grundsätzlich eine Lebertransplantation als Option in Betracht. Bzgl. der Ösophagusvarizen empfehlen wir (sofern keine Kontraindikation vorliegt) eine erniedrigt dosierte Betablocker-Therapie zur primären Blutungsprophylaxe. Bei komplikationslosem Verlauf bitten wir um eine Wiedervorstellung des Patienten zur Verlaufskontrolle in ca. 3 Monaten."
Die weitere Behandlung erfolgte durch den Beklagten zu 1), der am 21.11.2000 eine Sonografie des Abdomens und im November 2000, im Februar 2001 und im Oktober 2001 Laborkontrollen vornahm. Am 18.3.2002 ergab eine Sonografie ein Aszites (Bauchwasser), der sich in der Kontrolluntersuchung am 3.4.2002 nicht mehr nachweisen ließ. Im April und September 2002 erfolgten Laborkontrollen. Am 26.9.2002 führte der Beklagte zu 1) eine Sonografie des Abdomens durch. Nachdem der Patient über vermehrte Schläfrigkeit klagte, ergab sich für den Beklagten zu 1) am 30.9.2002 der Verdacht auf eine hepatische Enzephalopathie, worauf er den Patienten an die Beklagte zu 2), die als niedergelassene Fachärztin für diagnostische Radiologie und Nuklearmedizin tätig ist, überwies.
Die Beklagte zu 2) führte am 17.10.2002 eine Computertomografie des Abdomens und am 22.10.2002 eine Magnetresonanztomografie durch. In dem Bericht vom 24.10.2002 heißt es in der zusammenfassenden Beurteilung:
"Kein Aszites. Ausgeprägt inhomogene Parechymstruktur der Leber, offenbar im Sinne des bekannten zirrhotischen Umbaus mit vermutlich bestehenden Regeneratknoten,...