Verfahrensgang
LG Aachen (Urteil vom 05.04.1989; Aktenzeichen 4 O 531/88) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 05.04.1989 – 4 O 531/88 – abgeändert und neu gefaßt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.754,13 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 02.01.1989 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Der Beklagte haftet der Klägerin für den an dem gemieteten Lastkraftwagen entstandenen Schaden, obwohl die Parteien vereinbart haben, daß durch Zahlung eines besonderen Entgelts die Haftung des Mieters ausgeschlossen sein sollte. Der Haftungsausschluß tritt nämlich dann nicht ein, wenn der Mieter den Schaden durch grobes Verschulden herbeigeführt hat. Die Klägerin hat den Beweis geführt, daß der Beklagte den Verkehrsunfall, bei dem der Schaden entstanden ist, zumindest durch grobe Fahrlässigkeit verursacht hat.
Ein grob fahrlässiges Fehlverhalten des Beklagten liegt hier allerdings nicht schon darin, daß er die vorgeschriebene Geschwindigkeit Überschritten hat. Die Geschwindigkeitsbegrenzung war eine Regelung, die einen Baustellenbereich betraf, der noch nicht begonnen hatte. Dem Schutz eines auf dem Gehweg geparkten Fahrzeugs sollte die Regelung nicht dienen.
Das grob fahrlässige Fehlverhalten liegt aber darin, daß der Beklagte grundlos in einer weiten Rechtskurve nach rechts von der Fahrbahn abkam, auf den Bürgersteig geriet und dort einen auf dem Bürgersteig abgestellten Pkw beschädigte, wobei am Lkw im vorderen Bereich und am hinteren Unterfahrschutz Schaden entstand. Nach den Regeln des Anscheinsbeweises trifft den. Beklagten an dem Unfall ein Verschulden, denn es ist in der Rechtsprechung allgemein anerkannt, daß der Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Fahrers spricht, wenn dieser vom Fahrstreifen abkommt.
Kommt ein Fahrer von einer übersichtlichen Fahrbahn ab (OLG Köln VR 66, 769; BAG NJW 1967, 269) oder gerät ein Kraftfahrer auf den Autobahn-Grünstreifen (OLG Köln VR 66, 530) oder die Gegenfahrbahn, so spricht der Anscheinsbeweis für Schuld, wenn kein Versagen technischer Einrichtungen oder fehlerhafte Fahrweise eines anderen als Ursache in Betracht kommt (BGH VR 67, 557); es sei denn das Abkommen von der Fahrbahn beruht auf besonderen erwiesenen Umständen (Thomas-Putzo. § 286 Anm. 4 a; VR 66, 278, 769). Der Anschein spricht gegen den, der auf übersichtlicher Straße bei Normalwetter und -sicht von der Fahrbahn abkommt (BGH VR 67, 882; weitere Nachweise bei Jagusch/Hentschel, 28. Aufl. § 7 StVG Rn. 49 ff.). Der Anschein spricht gegen den von gerader oder gekrümmter Fahrbahn Abkommenden (VR 84, 130; 1185; DAR 75, 331). Bei Abkommen von der Fahrbahn spricht der Anscheinsbeweis für Schuld, jedoch nicht auch für grobe Fahrlässigkeit (VRS 57, 86).
Der Beklagte kam in einer Rechtskurve auf sehr breiter Straße ohne Gegenverkehr bei mäßiger Geschwindigkeit nach rechts von der Fahrbahn ab. Daraus folgt zunächst nach der einhelligen Rechtsprechung, daß der Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Beklagten spricht. Soweit er sich darauf beruft, daß ein vom Regelfall abweichender Geschehensablauf vorgelegen habe, ist der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig. Das Landgericht hat insoweit die Beweislast nicht zutreffend gesehen. Dieser abweichende Geschehensablauf soll hier darin gelegen haben, daß der Beklagte heftig niesen mußte. Den Beweis hierfür hat der Beklagte jedoch nicht geführt. Eine Parteivernehmung nach § 447 ZPO scheiterte am Widerspruch der Klägerin; eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO kam nicht in Betracht, weil das Ergebnis der Verhandlung nicht ausreichte, eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Behauptung des Beklagten zu erbringen.
Da also nicht bewiesen ist, daß der Beklagte niesen mußte, spricht der Anscheinsbeweis dafür, daß der Beklagte infolge Unaufmerksamkeit oder infolge eines Fahrfehlers von der Fahrbahn abgekommen ist. Generell spricht dies alleine noch nicht für grobe Fahrlässigkeit. Diese kann jedoch aus den Gesamtumständen hergeleitet werden.
Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in hohem Maße außer acht läßt, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten muß. Im Gegensatz zur einfachen Fahrlässigkeit muß es sich bei grober Fahrlässigkeit um ein in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten handeln, welches das gewöhnliche Naß erheblich Übersteigt (vgl. OLG Köln, VersR 1989, 952 m.w.N.). Die Beurteilung dieser Frage hängt maßgeblich von inneren Vorgängen und Willensentscheidungen ab, die der äußeren Wahrnehmung in der Regel entzogen sind. Dies kann es im Einzelfall schwierig machen, hinsichtlich der subjektiven Seite eine grobe Fahrlässigkeit nachzuweisen, zumal insoweit die Regeln des Anscheinsbewei...