Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufklärung über mögliche Erweiterung einer Schulter-Operation
Leitsatz (amtlich)
1. Über einen möglichen intraoperativ notwendigen Umstieg von einem arthroskopischen zu einem offenen Eingriff (hier zur Naht einer Supraspinatussehne) muss der Patient aufgeklärt werden.
2. Für die Frage einer hypothetischen Einwilligung kommt es nicht darauf an, ob der Patient nur wegen der Operationserweiterung einen plausiblen Entscheidungskonflikt geltend macht, sondern ob dies bezüglich des Gesamteingriffs gilt.
3. Die durch eine rechtswidrige Operationserweiterung bedingten Heilungsverzögerungen um etwa sechs Wochen und die gesteigerten Schmerzen und Belastungen rechtfertigen ein Schmerzensgeld von 2000.- EUR.
Normenkette
BGB §§ 249, 253, 280, 611, 823
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 11.02.2015; Aktenzeichen 25 O 350/11) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin und die Berufung des Beklagten zu 1) gegen das am 11.2.2015 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des LG Köln - 25 O 350/11 - werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 74 % der Klägerin und zu 26 % dem Beklagten zu 1) auferlegt.
Das vorliegende Urteil und die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die am 4.00.1958 geborene Klägerin, die als selbständige Physiotherapeutin beruflich tätig ist, litt an Schmerzen in der linken Schulter. Am 8.6.2007 ließ sie eine Magnetresonanztomografie durchführen. Nach der Beurteilung des Radiologen lag ein Impingement Grad III mit Teilruptur im Supraspinatus und ausgeprägten Ergüssen in den Bursen vor. Am 12.6.2007 stellte sich die Klägerin beim Beklagten zu 1), einem niedergelassenen Facharzt für Orthopädie, vor (im Folgenden: Beklagter). Dieser leitete unter der Diagnose einer Teilruptur der Supraspinatussehne bei Verdacht auf Tendinitis Calcarea in Auflösung eine konservative Behandlung mit Injektionen, Physiotherapie und Antiphlogistika ein.
Am 7.8.2007 schilderte die Klägerin progrediente Schmerzen in der linken Schulter. Die am 9.8.2007 durchgeführte Magnetresonanztomografie zeigte eine Peritendinitis der gesamten Rotatorenmanschette, während sich ein Teildefekt am Ansatz des Musculus supraspinatus nicht nachvollziehen ließ. Der Beklagte empfahl der Klägerin am gleichen Tag die operative Versorgung und führte mit ihr ein Aufklärungsgespräch. Die Klägerin unterzeichnete einen proCompliance-Aufklärungsbogen "Arthroskopie von Schultergelenk und subacromialer Bursa", in dem der geplante Eingriff handschriftlich mit "AC li Schulter, Bursektomie, Sehnenglättung, needling, befundab. AD" bezeichnet ist. Am 20.8.2007 führte der Beklagte die Schulterarthroskopie mit subacromialer Dekompression durch, stellte intraoperativ eine partielle Ruptur der Supraspinatussehne fest und nahm in Mini-Open-Technik eine Naht vor.
Am 3.9.2007 stürzte die Klägerin auf einer Treppe. Dabei stützte sie sich nach ihrer Darstellung mit der linken Hand ab. Der in der Praxis des Beklagten tätige Arzt Dr. J, bei dem sich die Klägerin am gleichen Tag vorstellte, führte eine Sonografie der linken Schulter durch, die nur eine postoperative Strukturstörung zeigte. Die Röntgenaufnahme ergab keine Fraktur. Die Klägerin sollte die nach der Operation begonnene Physiotherapie fortsetzen. Am 11.9.2007 gab die Klägerin nach dem Eintrag in der Karteikarte des Beklagten an, subjektiv zufrieden zu sein. Am 16.10.2007 schilderte die Klägerin vermehrte Beschwerden, Ruheschmerz und eine subjektiv schlechtere Beweglichkeit. Der Beklagte stellte die Verdachtsdiagnose einer Capsulitis adhaesiva und leitete eine Behandlung mit Prednisolon und weiterer Physiotherapie ein. Am 2.11.2007 vermerkte der Beklagte eine Besserungstendenz bei Restbeschwerden. Am 10.12.2007 schilderte die Klägerin wieder persistierende Beschwerden mit zeitweisem Ruheschmerz. In der am 14.12.2007 durchgeführten Magnetresonanztomografie zeigte sich nach dem Befund des Radiologen eine ausgedehnt genähte, jedoch erhaltene Sehne des Musculus supraspinatus. Am 7.1.2008 vermerkte der Beklagte, dass die Klägerin immer besser zu Recht komme, aber noch belastungsabhängige Einschränkungen habe. Am 1.2.2008 suchte die Klägerin die Praxis des Beklagten zum letzten Mal auf, äußerte gegenüber Dr. J ihre Unzufriedenheit und klagte über weiter bestehende Schmerzen.
Zwischen dem 20.12.2007 und dem 11.2.2008 stellte sich die Klägerin in der Universitätsklinik I, im Klinikum C in C2 und im Klinikum rechts der J2 in N vor, wo ihr jeweils zu einer Fortsetzung einer konservativen Therapie geraten wurde. Ein am 13.5.2008 in der C3-Klinik in C4 durchgeführtes Funktions-MRT ergab die Diagnose einer Teilruptur der Supraspinatussehne. Am 5.6.2008 erfolgte im P Medizinischen Versorgungszentrum in N eine arthroskopische Naht der Supraspinatussehne.
Gestützt auf eine Gutachten von Prof. Dr. T (Anlage K 1, im SH I unter 1) hat die Klägerin den Beklagten auf ein Schmerzensgeld von mindestens 60.000 EUR, Erstattung der Sachverständigenkosten ...