Leitsatz (amtlich)
1. Ein Verbraucherdarlehensvertrag stellt kein Fernabsatzgeschäft i. S. d. § 312b BGB a.F. dar, wenn der Darlehensnehmer im Vorfeld des Vertragsschlusses in persönlichen Kontakt zu einer Person getreten ist, die in der Lage ist, nähere Auskünfte über den Vertragsinhalt und die Beschaffenheit der Vertragsleistung des Darlehensgebers zu geben, und die dies zumindest insoweit auch "soll", als die Erwartungen der Vertragsparteien dahin gehen, dass sie für Auskünfte zum Vertragsinhalt und zu Vertragsleistungen zur Verfügung steht. Dies ist bezogen auf den Einsatz unabhängiger Finanzberater bei der Vermittlung von Krediten als typische Erwartung des Geschäftsverkehrs zu bejahen.
2. Eine Widerrufsbelehrung ist nicht deshalb als fehlerhaft anzusehen, weil sie als Anschrift der Bank eine Adresse mit einer Großkunden- oder Gebietspostleitzahl ohne Straßennamen und Hausnummer nennt, weil eine solche Anschrift den Verbraucher in gleicher Weise wie die Mitteilung der Hausanschrift in die Lage versetzt, seine Widerrufserklärung auf den Postweg zu bringen. Sollte das Widerrufsschreiben verspätet oder gar nicht beim Widerrufsadressaten eingehen, wird dem Schutz des Verbrauchers dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass zur Fristwahrung die rechtzeitige Absendung des Widerrufs genügt.
Normenkette
BGB §§ 312b, 355, 495
Verfahrensgang
LG Bonn (Aktenzeichen 2 O 444/15) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 03.08.2016 (Az. 2 O 444/15) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs zweier Verbraucherdarlehensverträge, die der Kläger gemeinsam mit seiner früheren Ehefrau - Frau A B - abgeschlossen hatte und die nach deren Schuldhaftentlassung seit Juni 2015 von ihm alleine als Darlehensnehmer fortgeführt wurden. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die zwischen den Parteien geschlossenen Darlehensverträge aus April 2008 (Anl. K1 und K2, Anlagenhefter) durch Widerruf vom 20.08.2015 (Anl. K4, Anlagenhefter) in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wurden.
Der Kläger ist der Auffassung, die ihm erteilten Widerrufsbelehrungen seien fehlerhaft. Er habe daher auch im August 2015 seine auf den Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen noch widerrufen können. Die Beklagte vertritt die Auffassung, die von ihr eingesetzten Widerrufsbelehrungen seien nicht zu beanstanden.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 03.08.2016 (Bl. 139 ff. GA), auf das wegen der Einzelheiten der Feststellungen zum erstinstanzlichen Parteivortrag, der in erster Instanz gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der vom Kläger erklärte Widerruf sei verspätet, da die Belehrungen über das Widerrufsrecht ordnungsgemäß erfolgt seien. Sie seien inhaltlich zutreffend und genügten dem Deutlichkeitsgebot. Auf die Frage, ob die Beklagte die Musterbelehrung verwendet habe, komme es deshalb nicht an. Unerheblich sei ferner, dass der Vertrag über die Bewilligung von C-Mitteln nicht im Antragsverfahren zustande gekommen sei, sondern die Beklagte ein mit Darlehensvertrag überschriebenes Angebot zugeleitet habe, das die Eheleute angenommen hätten. Ein Sachverhalt, wie er der Entscheidung des BGH vom 10.03.2009 (XI ZR 33/08) zugrundelag, liege nicht vor, da vorliegend ein Missverständnis darüber, ob die Frist bereits mit Übersendung des Antrags der Bank beginne, durch die Formulierung der Beklagten "oder das Vertrags-/Darlehensangebot des Darlehensnehmers" ausgeschlossen sei. Da es sich um ein auf Grundlage persönlicher Vermittlung zustande gekommenes Darlehensvertragsverhältnis handle, hätten die für die Belehrung über ein Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen geltenden Vorschriften nicht eingehalten werden müssen. Dem Kläger sei es möglich gewesen, im persönlichen Kontakt mit Frau D Auskunft über die Verträge zu erhalten.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er hält unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags daran fest, dass die Widerrufsbelehrungen der Beklagten nicht den gesetzlichen Anforderungen genügten. Die Verträge seien als Fernabsatzgeschäfte zu qualifizieren, weshalb die Widerrufsfrist erst mit Vertragsabschluss begonnen habe, so dass beide Belehrungen fehlerhaft seien.
Frau D habe als bloße Botin gehandelt. Entgegen der Ansicht des Landgerichts setze die Verneinung eines Fernabsatzgeschäfts nach dem Urteil des BGH vom 21.10.2004 (III ZR 380/03) neben der Fähigkeit einer vom Verbraucher eingeschalteten P...