Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 03.02.2000; Aktenzeichen 84 O 94/99) |
Tenor
Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 03.02.2000 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 84 O 94/99 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Antragstellerin.
Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Gründe
Die zulässige Berufung der Antragstellerin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der der Antragsgegnerin der unentgeltliche Vertrieb einer Tageszeitung generell – also nicht etwa regional oder auf bestimmte Verteilungsmethoden begrenzt – untersagt werden soll, zu Recht zurückgewiesen. Denn die kostenlose Abgabe einer ausschließlich durch Anzeigenwerbung finanzierten Tageszeitung wie „20 Minuten Köln” der Antragsgegnerin kann jedenfalls derzeit nicht als unlauter im Sinne des § 1 UWG beurteilt werden und ist demgemäß auch nicht zu unterlassen. Auch der Begründung der angefochtenen Entscheidung schließt sich der Senat an. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt er die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in Bezug und sieht von einer erneuten Darstellung der die Entscheidung tragenden Gründe ab, § 543 Abs. 1 ZPO.
Die mit der Berufung gegen das angefochtene Urteil vorgebrachten Einwände greifen nicht durch. Der Senat folgt dem Landgericht in seiner Auffassung, dass das kostenlose Verteilen von Presseerzeugnissen unter drei Aspekten wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG sein kann, und dass im Streitfall zwei dieser Unlauterkeitstatbestände ersichtlich ausscheiden: Eine unzulässige Wertreklame namentlich unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens als ein Fall wettbewerbsrechtlich bedenklicher, unsachlicher Beeinflussung im Sinne des § 1 UWG (vgl. hierzu: Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Auflage 1999, § 1 UWG Rn. 90 ff. und Einleitung UWG Rn. 115) liegt im Streitfall nicht vor, weil die Antragsgegnerin nach dem übereinstimmenden Sachvortrag der Parteien plant, ihre Tageszeitung „20 Minuten Köln” auf Dauer unentgeltlich abzugeben. Ein übertriebenes Anlocken in der hier interessierenden Fallkonstellation kommt aber nur dann in Betracht, wenn eine sonst Geld kostende Ware über einen längeren Zeitraum kostenlos abgegeben wird, um den Verbraucher hieran zu gewöhnen, und von ihm nach Eintritt des Gewöhnungseffekts Bezahlung der Ware zu verlangen. Auch der Gesichtspunkt des nach § 1 UWG unzulässigen individuellen Vernichtungs- oder Behinderungswettbewerbs trägt das Verfügungsbegehren der Antragstellerin nicht: Denn die auf dem K.er Pressemarkt unstreitig jedenfalls marktstarke Antragstellerin hat nichts dazu vorgetragen, dass und aus welchem Grunde das von der Antragsgegnerin gewählte Vertriebskonzept, eine Tageszeitung durch Anzeigen zu finanzieren und die Zeitung unentgeltlich an den Endverbraucher abzugeben, eine (gezielte) Vernichtungskampagne darstellen könnte.
Aber auch ein Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG wegen Marktstörung steht der Antragstellerin nicht zu. Namentlich teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, dass auch mit Blick auf die Notwendigkeit, das Pressewesen leistungsfähig zu erhalten, die dauernde kostenlose Verteilung von Tageszeitungen nicht per se wettbewerbswidrig und deshalb zu unterlassen ist, sondern dass es auf die konkreten Umstände des Einzelfalles ankommt, und dass es Sache der Antragstellerin ist, die zur Annahme einer Wettbewerbswidrigkeit führenden tatsächlichen Umstände darzutun und glaubhaft zu machen.
Um eine Marktstörung oder allgemeine Marktbehinderung handelt es sich, wenn eine nicht leistungsgerechte Wettbewerbsmaßnahme geeignet ist, durch die Beseitigung der Freiheit von Angebot und Nachfrage den Bestand des Wettbewerbs zu gefährden und die Mitbewerber zu verdrängen (statt vieler: Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 UWG Rn. 832 m.w.N.). Im Grundsatz herrscht Einigkeit, dass zur Feststellung einer Marktstörung oder Marktbehinderung (die Begriffe werden im folgenden synonym verwendet) konkrete Umstände festgestellt werden müssen, die das Handeln als mit den Regeln lauteren Wettbewerbs nicht in Einklang zu bringen erscheinen lassen, zum Beispiel, inwieweit unentgeltliche Leistungen geeignet sind, entgeltliche Leistungen zu ersetzen, und ob und inwieweit deshalb das Wettbewerbsverhalten unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber und der Allgemeinheit mit den guten Sitten im Wettbewerb nicht vereinbar erscheint (statt aller: Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 UWG Rn. 832 a.E.). Da das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb nach allgemeiner Meinung (siehe nur Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rn. 832 m.w.N.) nicht den strukturellen Bestand des Wettbewerbs schützt, lautet der Grundsatz im übrigen, dass allein die Tatsache, dass eine gewöhnlich nur gegen Entgelt erbrachte Leistung unentgeltlich erbracht wird, noch keine wettbewerbswidrige Marktstörung bedeutet (s...