Leitsatz (amtlich)
›Ergeben sich aufgrund der präoperativen Diagnostik gewichtige Gründe, die einem verständigen Patienten Anlaß geben könnte, von der Operation Abstand zu nehmen, dürfen diese dem Patienten auch dann nicht vorenthalten werden, wenn der Eingriff an sich medizisch indiziert ist.
Unzureichende Risikoaufklärung läßt den Vergütungsanspruch des Arztes regelmäßig unberührt.‹
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 25 O 416/94) |
Tatbestand
Die Klägerin unterzog sich am 14. Februar 1990 im Krankenhaus der Beklagten zu 1) einer operativen Entfernung eines haselnussgroßen zystischen Knotens unter Mitnahme eines walnussgroßen Isthmusanteils der Schilddrüse. Operateur war der Beklagte zu 2). Postoperativ erhielt sie täglich einmal L-Thyroxin 100. Es traten Tachycardien auf, die medikamentös angegangen wurden.
Die Klägerin hat behauptet, die Operation sei nicht indiziert gewesen. Dies sei infolge unzureichender präoperativer Diagnostik verkannt worden. Die postoperative Medikation sei fehlerhaft gewesen. Ferner hat sie unzureichende Eingriffs- und Risikoaufklärung gerügt. Nunmehr leide sie als Operationsfolgen unter einer umfassenden Leistungsschwäche, schneller Ermüdung und vergrößerter Infektbereitschaft. Es bestehe eine entstellende Operationsnarbe. Sie hat ein angemessenes Schmerzensgeld (mindestens 20.000,00 DM) sowie Ersatz weiterer materieller Schäden und die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten wegen sämtlicher sonstiger materieller Schäden begehrt.
Der Beklagte zu 2) hat widerklagend die Erstattung der Operationskosten in Höhe von 1.405,46 DM nebst Zinsen verlangt. Im Übrigen sind die Beklagten den Vorwürfen der Klägerin entgegengetreten und haben ordnungsgemäße Aufklärung behauptet, sich im übrigen auf hypothetische Einwilligung berufen.
Das Landgericht hat, sachverständig beraten, die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie meint, die operative Entfernung des Gewebes sei mangels Malignitätsverdachts nicht indiziert gewesen. Jedenfalls sei sie weder hierüber noch über ernsthaft in Betracht zu ziehende Behandlungsalternativen aufgeklärt worden. Auch habe es an der nötigen Basisaufklärung überhaupt gefehlt. Die postoperative medikamentöse Behandlung sei ebenfalls fehlerhaft, darüber hinaus nicht von ihrer Einwilligung getragen gewesen.
Die Beklagten treten der Berufung entgegen und verteidigen das angefochtene Urteil. Sie behaupten, der bei der Klägerin operierte zystische Knoten entspreche einem kalten Knoten, dessen Entfernung richtig gewesen sei. Über die Zusammenhänge sei die Klägerin präoperativ sowohl durch ihre Hausärztin als auch durch die damaligen Krankenhausärzte aufgeklärt worden.
Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze verwiesen. Wegen der Anträge wird auf das Sitzungsprotokoll vom 26. Januar 1998 Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nur in geringem Umfang sachlich gerechtfertigt. Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 DM zu (§§ 847, 823 BGB). Die Operation vom 14. Februar 1990 stellt sich im Rechtssinne als nicht gerechtfertigter schuldhafter Eingriff in die körperliche Integrität der Klägerin dar, weil die von der Klägerin hierzu erteilte Einwilligung mangels ordnungsgemäßer Aufklärung unwirksam war.
Die Aufklärung als Grundlage für das Selbstbestimmungsrecht soll dem Patienten nicht nur Art und Schwere des Eingriffs aufzeigen, indem ihm ein allgemeines Bild von der Schwere und der Richtung des konkreten Risikospektrums vermittelt wird; sie verlangt darüber hinaus eine zutreffende Darstellung der Indikation, um dem Patienten eine eigenverantwortliche Entscheidung zu ermöglichen, wobei nicht vorwerfbare Diagnoseirrtümer freilich außer Betracht zu bleiben haben, weil solche Irrtümer zwangsläufig zu einer unzutreffenden Darstellung der Indikation führen müssen. Der Behandler darf beispielsweise weder die Dringlichkeit des Eingriffs unzutreffenderweise dramatisieren noch Behandlungsalternativen verschweigen. Im Streitfall ist das Selbstbestimmungsrecht der Klägerin deshalb verkürzt worden, weil ihr nicht mitgeteilt worden ist, dass nach dem szintigraphisch und sonographisch erhobenem Befund kein Verdacht auf Malignität bestand, so dass "bezüglich einer operativen Therapie zunächst kurzfristig eine abwartende Haltung" (so der radiologische Befundbericht) vertretbar erschien, weil es sich unter Umständen um eine fokale Thyreoiditis gehandelt hat. Es ist zwar richtig, dass - wie noch darzulegen sein wird - ein solcher Befund auch eine unverzügliche operative Entfernung des Knotens medizinisch rechtfertigt, so dass gegebenenfalls nicht von einem Behandlungsfehler auszugehen ist. Dies berührt den Umfang der Aufklärungspflicht indessen nicht. Dass die Klägerin...