Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichten des aufklärenden Arztes bei sprachunkundigen Ausländern
Leitsatz (amtlich)
1. Ist ein aus dem Ausland stammender Patient der deutschen Sprache kaum mächtig und ist er ohne Übersetzungshilfe nicht in der Lage, dem Aufklärungsgespräch (hier: Aufklärung über die Implantierung einer Hüft-TEP) inhaltlich zu folgen, muss der aufklärende Arzt sicher stellen, dass dem Patienten durch einen Dolmetscher der Inhalt des Aufklärungsgespräches übermittelt wird.
2. Soll die Übersetzung durch einen Familienangehörigen des Patienten erfolgen, muss der aufklärende Arzt in geeigneter Weise überprüfen, ob der Familienangehörige seine Erläuterungen verstanden hat und ob er in der Lage ist, das Gespräch in die andere Sprache zu übersetzen. Hierzu muss sich der Arzt zumindest einen ungefähren Eindruck von den Deutschkenntnissen des Familienangehörigen verschaffen. Anschließend muss der Arzt durch eigene Beobachtung feststellen, dass eine Übersetzung stattfindet und er muss aus der Länge des Übersetzungsvorgangs den Schluss ziehen können, dass eine vollständige Übersetzung vorliegt. Schließlich muss sich der aufklärende Arzt durch Rückfrage beim Patienten einen Eindruck davon verschaffen, ob dieser die ihm übersetzte Aufklärung auch verstanden hat. Bei verbleibenden Zweifeln ist der Arzt gehalten, sich der Hilfe eines Dolmetschers zu bedienen, von dessen ausreichenden Sprachfähigkeiten er mit der erforderlichen Sicherheit ausgehen kann.
Normenkette
BGB §§ 249, 253, 280, 611, 823
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 05.11.2014; Aktenzeichen 25 O 134/13) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Köln vom 05.11.2014 - 25 O 134/13 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger .
Das vorliegende Urteil und die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der am 00.00.1946 geborene Kläger begab sich im Jahr 2010 wegen langjähriger Beschwerden im Bereich der linken Hüfte in die Behandlung des von der Beklagten zu 1) betriebenen F Krankenhaus in L. Dort wurde die Indikation zur Implantierung einer Hüft-Endoprothese gestellt. Am 08.12.2010 erfolgte ein Aufklärungsgespräch, welches der Beklagte zu 2) in Anwesenheit des Klägers und seiner Ehefrau führte. Der Kläger selbst ist der deutschen Sprache kaum mächtig. Der Beklagte zu 2) vermerkte auf dem Aufklärungsbogen vom 08.12.2010 "Frau als Übersetzerin anwesend". Am 13.12.2010 wurde dem Kläger eine Hüft-Endoprothese links eingesetzt. Die Beklagten zu 2) und 3) waren die Operateure. Infolge des operativen Eingriffs kam es zu einer Ischiadicusparese. Am 16.12.2010 erfolgte eine Revisionsoperation mit Ausräumung eines Hämatoms.
Der Kläger hat den Beklagten Behandlungsfehler vorgeworfen und hierzu behauptet, der Nervus ischiadicus sei während der am 13.12.2010 durchgeführten Operation geschädigt worden. Der Kläger hat darüber hinaus die Aufklärungsrüge erhoben. Er hat behauptet, seine Ehefrau spreche nur bruchstückhaft Deutsch, so dass ein Dolmetscher hätte hinzugezogen werden müssen. Die Aufklärung sei auch inhaltlich unzureichend gewesen, weil über Risiken nicht gesprochen worden sei.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens 50.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.10.2011 zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtliche künftigen immateriellen sowie alle vergangenen und künftigen materiellen Schäden, die ihm in Folge der fehlerhaften Behandlung ab November 2010 entstanden sind bzw. noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben behauptet, der Kläger sei durch den Beklagten zu 2) ausreichend aufgeklärt worden und habe dessen Ausführungen infolge einer Übersetzung durch seine dolmetschende Ehefrau auch verstanden. Die Beklagten haben sich hilfsweise auf den Einwand der hypothetischen Einwilligung berufen. Der Kläger hätte aufgrund seiner langjährigen Leidensgeschichte auf jeden Fall in die Operation eingewilligt.
Wegen der Einzelheiten des streitigen Vorbringens der Parteien und der tatsächlichen Feststellungen des LG wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 166 ff. d.A.) Bezug genommen.
Das LG hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. K vom 25.02.2014 (Bl. 89 ff. ...