Leitsatz (amtlich)

Rechtsmissbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG liegt vor, wenn - neben weiteren Umständen - der Anspruchsberechtigte aus einer gegen den Hersteller wegen irreführend gekennzeichneter Produkte erwirkten einstweiligen Verfügung in keiner Weise vollstreckt, insbesondere die Rückrufverpflichtung nicht durchzusetzen versucht, sondern stattdessen zunächst 71 Onlinehändler und im weiteren Verlauf 203 Franchisenehmer einer Baumarktgesellschaft abmahnt, die die Produkte vertreiben.

 

Normenkette

UWG § 8 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 21.10.2016; Aktenzeichen 84 O 147/15)

 

Tenor

Das Versäumnisurteil des Senats vom 21.10.2016 - 6 U 22/16 - wird aufrechterhalten.

Die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens, einschließlich der Kosten der Streithelferin, trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist Herstellerin und Importeurin u.a. von Briefkästen und vertreibt diese an große Handelsketten, zumeist in Form von Aktionsware. Die wirtschaftliche Situation der Klägerin ist für 2012-2014 anhand von Jahresabschlüssen dargetan. 2015 soll laut schriftlicher Bestätigung des Steuerberaters der Klägerin ein Umsatz mit Briefkästen in Höhe von 450.000 EUR zu erwarten gewesen sein.

Die Beklagten zu 1-4 sind Gesellschafter der g. Handelsgesellschaft für Baustoffe mbH & Co. KG. Bei der g. werden für die Gesellschafterbetriebe Waren zentral eingekauft. Jeder Gesellschafter entscheidet selbst, welche Produkte er wann führt.

Die Streithelferin stellt die hier streitgegenständlichen Briefkästen und Zeitungsrollen her, welche sie u.a. an Baumärkte wie g. vertreibt. Die Modelle "Zeitungsbox" und "Ferro Star 800 si" wurden mit der Aussage "umweltfreundlich produziert" bzw. "umweltfreundlich produziert - lösungsmittelfrei" beworben; das Modell "CLASSICO" mit einem Siegel mit der Aussage "Geprüfte Qualität" jeweils wie im Klageantrag wiedergegeben.

Die Klägerin mahnte zuerst die Streithelferin erfolglos ab und beantragte vor dem Landgericht Hagen den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der die Aussagen "umweltfreundlich" und "geprüfte Qualität" untersagt werden sollten. Am 10.7.2015 wurde das Urteil zugunsten der Klägerin verkündet. Am 10.8.2015 legte die Streithelferin Berufung ein, welche sie am 21.10.2015 zurücknahm. Am selben Tag gab sie eine Abschlusserklärung ab.

Ende Juni/Juli 2015 mahnte die Klägerin 71 Online-Händler wegen der o.g. Werbeaussagen ab.

Am 3.8.2015 versandte sie eine Abmahnung an die g. Dachgesellschaft. In einem Antwortschreiben der g. Dachgesellschaft selbst wurde um Fristverlängerung gebeten und angekündigt, dass für den Fall der Berechtigung der Abmahnung, alle Franchisenehmer aufgefordert werden würden, Unterlassungserklärungen abzugeben. Vor diesem Hintergrund sei "eine weitere Abmahnung der Franchisenehmer nicht vonnöten". Anschließend meldete sich Rechtsanwalt Dr. O., und zwar für die g. Dachgesellschaft und alle Gesellschafter. Er lehnte die Abgabe von Unterlassungserklärungen ab und schlug vor, das rechtskräftige Ende des Rechtsstreits vor dem Landgericht Hagen bzw. Oberlandesgericht Hamm abzuwarten. Daraufhin mahnte die Klägerin Mitte August 203 g.-Märkte ab.

Die Beklagten zu 1 und 2 hatten alle drei Briefkasten-Modelle der Streithelferin im Sortiment. Ob die Beklagten zu 3 und 4 nur den Kunststoffbriefkasten CLASSICO geführt haben, ist weiterhin streitig.

Mit Urteil des Landgerichts Köln vom 3.2.2016 - 84 O 147/15 -, auf das wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, sind die Beklagten zu 1 und 2 vollumfänglich auf Unterlassung und Zahlung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 984,60 EUR und die Beklagten zu 3 und 4 nur hinsichtlich der Werbeaussage "Geprüfte Qualität" zur Unterlassung und zur Zahlung anteiliger außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 502,30 EUR verurteilt worden. Die weitergehende Klage ist abgewiesen worden.

Mit ihren Berufungen wenden sich die Beklagten und die Streithelferin gegen ihre Verurteilung zur Unterlassung und machen weiterhin den Einwand des Rechtsmissbrauchs geltend. Die Klägerin begehrt die antragsgemäße Verurteilung der Beklagten zu 3 und 4.

Auf den ersten Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist ein Versäumnisurteil ergangen, mit welchem die Klage abgewiesen wurde.

Nach Einspruch begehrt die Klägerin die Aufhebung des Versäumnisurteils und beantragt mit ihrer Berufung sinngemäß,

1. die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Produkte im Marktsegment Postkästen und Zeitungsrollen in den Verkehr zu bringen

a) mit einer Formulierung "Umweltfreundlich produziert", wie aus den Anlage FN 5 und FN 6 ersichtlich geschehen;

b) mit "geprüfter Qualität" wie im Schriftsatz vom 4.11.2016 auf S. ...

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