Entscheidungsstichwort (Thema)
Zumutbare Erwerbstätigkeit im Rentenalter
Leitsatz (amtlich)
Befindet sich der Unterhaltsverpflichtete bereits im Rentenalter, braucht. er grundsätzlich keiner zusätzlichen Erwerbstätigkeit mehr nachzugehen. Ihm ist grundsätzlich eine Nebentätigkeit unzumutbar. Etwas anderes gilt aber dann, wenn ein Selbständiger - wie hier der Beklagte - während seines Erwerbslebens keine ausreichende Alterssicherung getroffen hat und daher gezwungen ist, seinen Lebensbedarf über das Rentenalter hinaus aus seiner selbständigen Tätigkeit zu decken (vgl. hierzu Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rz. 749). In diesem Fall hat der Unterhaltspflichtige bewusst in Kauf genommen, über das allgemeine Rentenalter hinaus tätig zu sein. Seine Lebensplanung ist darauf angelegt, aus seiner selbständigen Tätigkeit auch im Rentenalter die den Lebensbedarf deckenden Einkünfte - für sich und seine Familie - zu erzielen. Gerade deswegen kann er sich dann nicht darauf berufen, die aus einer solchen Tätigkeit erzielten Einkünfte seien aus einer nicht zumutbaren Tätigkeit erzielt.
Normenkette
ZPO § 323 Abs. 1; BGB § 1573 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Brühl (Urteil vom 17.01.2006; Aktenzeichen 31 F 252/01) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17.1.2006 verkündete Urteil des AG - FamG - Brühl unter Zurückweisung des Rechtsmittels und Klageabweisung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird in Abänderung des Urteils des 14. Zivilsenates des OLG Köln vom 22.5.1990 - 14 UF 243/89 - verurteilt, an die Klägerin monatlichen nachehelichen Unterhalt nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 4. Werktag eines jeden Monats auf den jeweils rückständigen Unterhaltsbetrag wie folgt zu zahlen:
1. von Januar 2003-Dezember 2003: 622 EUR
2. von Januar 2004-Dezember 2004: 653 EUR
3. ab Januar 2005: 654 EUR.
II. Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Verfahrens in erster Instanz tragen die Klägerin zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu ¼ und der Beklagte zu ¾.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige - insb. frist- und formgerecht eingelegte - Berufung der Klägerin hat, nachdem sie in der mündlichen Verhandlung ihre Berufung teilweise zurückgenommen hat, zum überwiegenden Teil Erfolg. Dagegen ist die zulässige Berufung des Beklagten unbegründet.
Die Klägerin kann von dem Beklagten gem. § 323 Abs. 1 ZPO ab Januar 2003 die Abänderung des im Urteilstenor näher bezeichneten Unterhaltstitels dahin verlangen, dass der Beklagte ihr gem. § 1573 Abs. 3 BGB nachehelichen Aufstockungsunterhalt in der tenorierten Höhe zu zahlen hat.
Die seitens des Beklagten mit seiner Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil geltend gemachten Angriffe greifen im Ergebnis nicht durch.
A. Der Beklagte ist in dem genannten Umfang leistungsfähig.
I. Soweit der Beklagte rügt, seine Einkünfte aus selbständiger Arbeit stammten aus überobligatorischer Tätigkeit und dürften daher nicht in die Unterhaltsberechnung mit einbezogen werden, trifft dies nicht zu. Zwar befindet sich der Beklagte im Rentenalter, so dass er grundsätzlich keiner zusätzlichen Erwerbstätigkeit mehr nachzugehen braucht. Ihm ist grundsätzlich eine Nebentätigkeit unzumutbar. Etwas anderes gilt aber dann, wenn ein Selbständiger - wie hier der Beklagte - während seines Erwerbslebens keine ausreichende Alterssicherung getroffen hat und daher gezwungen ist, seinen Lebensbedarf über das Rentenalter hinaus aus seiner selbständigen Tätigkeit zu decken (vgl. hierzu Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rz. 749). Denn in diesem Fall hat der Unterhaltspflichtige bewusst in Kauf genommen, über das allgemeine Rentenalter hinaus tätig zu sein. Seine Lebensplanung ist darauf angelegt, aus seiner selbständigen Tätigkeit auch im Rentenalter die den Lebensbedarf deckenden Einkünfte - für sich und seine Familie - zu erzielen. Gerade deswegen kann er sich auch nicht darauf berufen, die aus einer solchen Tätigkeit erzielten Einkünfte seien aus einer nicht zumutbaren Tätigkeit erzielt. So trägt der Beklagte selbst vor, er müsse seine Tätigkeit fortsetzen, um seinen Lebensbedarf decken zu können, da er dies mit seiner geringen Rente von 412,32 EUR monatlich (bezogen ab Januar 2004) nicht könne. Er müsse den Betrieb (Autohandel) so lange aufrecht erhalten, bis er einen geeigneten Käufer gefunden habe, um aus dem Erlös dann seine Alterssicherung betreiben zu können.
II. Dem Beklagten ist kein Wohnvorteil anzurechnen. Zutreffend beruft sich der Beklagte bezüglich eines ihm zuzurechnenden Wohnvorteils darauf, dass die Klägerin insoweit mit ihrem Vorbringen gem. § 323 Abs. 2 ZPO präkludiert ist, da er, der Beklagte, schon im Zeitpunkt des Urteils im Vorprozess in der Wohnung auf dem Betriebsgelände gewohnt hat. Schulden (= Hauslasten) wurden damals über den Betrieb abgewi...