rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Reiserecht. Kündigung eines Schüleraustauschvertrages

 

Leitsatz (amtlich)

Vor der Kündigung des Vertrages über die Teilnahme an einem Schüleraustauschprogramm wegen Unzulänglichkeiten der Unterbringung in der Gastfamilie sind grundsätzlich die Förmlichkeiten des § 651 e Abs. 2 BGB zu beachten und ist dem Veranstalter eine ausreichende Frist zur Abhilfe zu setzen.

 

Normenkette

BGB § 651e Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 3 O 42/99)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 22.06.1999 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 3 O 42/99 – teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Gründe

Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung hat in der Sache Erfolg.

Die Klage ist nicht begründet. Ansprüche auf Rückzahlung des Preises für den zehn-monatigen High-School Aufenthalt in den USA in Höhe von 9.078,00 DM, mit denen der Senat sich nach der teilweisen Klageabweisung in erster Instanz nur noch zu befassen hat, stehen dem Kläger nicht zu, denn er hat das Vertragsverhältnis mit dem Beklagten nicht wirksam gekündigt.

Auf die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien ist Reisevertragsrecht zumindest entsprechend anwendbar. Nach überwiegender Meinung gelten die §§ 651a ff. BGB für Schüleraustauschprogramme unmittelbar, da in derartigen Fällen eine Vielzahl von Leistungen nach einem vorher festgelegten Programm gebündelt werden und damit eine Gesamtheit von Reiseleistungen geschuldet wird (vgl. OLG Karlsruhe, RRa 1998, 232 mit Anm. Teichmann S. 233 = NJW-RR 1998, 841; OLG Karlsruhe MDR 1999, 922; OLG Köln – 1. ZS – Urt. vom 26.02.1998 – 1 U 94/97 –; vgl. Palandt/Sprau, BGB 59. Auflage, Einf. v. § 651 a Rdn. 3; OLG Köln – 6. ZS – Urt. vom 04.02.2000 – 6 U 99/99 –; Schuster RRa 1997, 107). Hierbei braucht – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – die Tatsache, dass Verträge der vorliegenden Art nicht von der den §§ 651a ff. BGB zugrunde liegenden Richtlinie 90/314/EWG erfasst sind, weil der Aufenthalt in einer Gastfamilie nach Auffassung des Europäischen Gerichtshof nicht das Tatbestandsmerkmal der „Unterbringung” nach Art. 2 Nr. 1 erfülle und die Auswahl der Gastfamilie keine „andere touristische Dienstleistung” nach dieser Norm darstelle (vgl. EuGH RRa 1999, 132 = EuZW 1999, 219), der Anwendung von nationalem Reisevertragsrecht nicht entgegenzustehen; denn die Richtlinie hat lediglich Mindestschutzcharakter und der deutsche Begriff des Reiseveranstalters geht ohnehin über die Definition der Richtlinie hinaus (vgl. Führich, Anm. zu BGH LM Heft 8/2000 § 651k BGB Nr. 2). Demgegenüber ist Teichmann (a.a.O.) der Meinung, unter „Reise” i. S. d. § 651a BGB sei nur eine „Urlaubsreise” zu verstehen. Er will deswegen und wegen der Tatsache, dass ein Vertrag über ein Schüleraustauschprogramm sowohl werk-, wie auch dienst- und mietvertragliche Elemente enthalte, die Vorschriften des Reiserechts nur entsprechend und nur insoweit, wie sie passen, anwenden, z. B. ohne den immateriellen Schadensersatzanspruch nach § 651f Abs. 2 BGB (zweifelnd zur Anwendbarkeit auch Martis MDR 2000, 922, 923).

Welcher der verschiedenen Auffassungen zu folgen ist, kann offen bleiben; denn wegen der Koppelung der Elemente verschiedener Vertragstypen ist es gerechtfertigt, für den Fall einer vorzeitigen Lösung von der vertraglichen Bindung nach Antritt der Reise die Vorschrift des § 651e BGB zumindest entsprechend anzuwenden. Dies gilt um so mehr als der Beklagte sich selbst als Reiseveranstalter ansieht bzw. im Zeitpunkt des Vertragsschlusses angesehen hat. In ihren Teilnahmebedingungen ist nämlich für den Fall eines Rücktritts vor Antritt der Reise eine auf § 651i BGB beruhende Regelung, insbesondere eine in zeitlicher Hinsicht gestaffelte pauschale Entschädigung nach Abs. 3 dieser Norm enthalten sowie eine Verpflichtung des Teilnehmers zur Zahlung einer Anzahlung vorgesehen, deren erste Rate nach „Erhalt des Sicherungsscheins nach § 651k BGB” zu leisten ist.

Die Voraussetzungen für ein Kündigungsrecht des Klägers nach § 651e BGB lagen indes nicht vor. Hierbei kann es offen bleiben, ob dem Kläger wegen der aufgetretenen Probleme bei der Unterbringung in einer Gastfamilie ein Kündigungsgrund zustand. Die Kündigung war nämlich schon deswegen unwirksam, weil dem Beklagten nicht zuvor gem. § 651e Abs. 2 BGB eine Frist zur Abhilfe gesetzt und die Fristsetzung auch nicht ausnahmsweise entbehrlich war.

Der Kläger hat bereits dadurch, dass er sich am 05.09.1998 von Freunden seiner Eltern bei der Gastfamilie C. abholen ließ, deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er das Austauschprogramm abbrechen wollte, zumal der Abreise seinem eigenen Vorbringen zufolge ab dem 01.09.1998 Telefonate seines Vaters vorausgegangen, in denen dieser um Abhilfe gebeten und auf eine zügige Lösung des Unterbringungsproblems gedr...

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