Verfahrensgang

LG Aachen (Urteil vom 15.04.2003; Aktenzeichen 3 O 24/01)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15.4.2003 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Köln - 3 O 24/01 - unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld i.H.v. 3.579,04 Euro (7.000,- DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 1.2.1999 abzgl. am 26.6.2000 gezahlter 2.045,17 Euro (4.000 DM) zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche aus der zahnärztlichen Fehlbehandlung in der Zeit vom 26. bis 28.12.1998 verursachten materiellen Schäden an den Zähnen 17, 34, 35 und 36 zu ersetzen, soweit Ersatzansprüche der Klägerin nicht auf ihre Krankenkasse übergegangen sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 10 % und die Beklagte zu 90 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 20 % und der Beklagten zu 80 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache zum weitaus überwiegenden Teil Erfolg.

1. Die Beklagte ist der Klägerin dem Grunde nach zur Leistung von Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Fehlbehandlung der Zähne 17, 34, 35 und 36 verpflichtet, wobei sie auch für den Verlust der Zähne und den daraus resultierenden weiteren Schaden einzustehen hat.

a) Was die Zähne 35 und 36 angeht, war im Berufungsrechtszug schon von vornherein nicht mehr ernsthaft im Streit, dass die Beklagte durch fehlerhaft eingesetzte Stifte die Nerven dieser Zähne geschädigt hat. Auf die von der Beklagten nicht weiter angegriffenen Ausführungen im Urteil des LG nimmt der Senat insoweit Bezug. Darüber hinaus hat der vom Senat beauftragte Sachverständige Prof. I. überzeugend festgestellt, dass parapulpäre Stiftverankerungen, wie sie die Beklagte vorgenommen hat, nicht indiziert waren. An den Zähnen war ausreichend Resthartsubstanz vorhanden, um die Zähne auch ohne Stifte füllen zu können. Stifte wurden in früheren Jahren verwendet, um bei Amalgamfüllungen ausreichenden Halt zu gewährleisten. Nachdem es nunmehr - auch bereits im Jahr 1998 - fachärztlichem Standard entspricht, Kunststoffe zur Füllung zu verwenden, die in dem gebohrten Loch ankleben, ist die Verwendung von Stiften, mit denen die Pulpa verletzt werden kann und die unter Umständen Spannungen hervorrufen können, keine Alternative mehr.

Der Sachverständige Prof. I. hat weiter ausgeführt, dass die Verwendung von Stiften im Sinne der Definition des BGH, die dem Sachverständigen bei seiner mündlichen Anhörung vorgehalten worden ist, als grob fehlerhaft zu bewerten ist. Die Benutzung der Stifte stellt - was wegen der eindeutig besseren Alternative der Verwendung von Kunststofffüllungen ohne weiteres einleuchtet - einen eindeutigen Verstoß gegen bewährte zahnärztliche Behandlungsregeln dar, der aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint und der einem Zahnarzt nicht unterlaufen darf und auch 1998 schon nicht mehr unterlaufen durfte; so hat sich der Sachverständige Prof. I. klar und eindeutig geäußert. Der Senat folgt dieser nachvollziehbar und überzeugend begründeten Ansicht.

Die Annahme eines groben Behandlungsfehlers führt zur Beweislastumkehr, so dass es Sache der Beklagte wäre, darzulegen und zu beweisen, dass es auch ohne ihre Fehlbehandlung wegen der schon bestehenden Vorschädigungen zum Verlust der Zähne gekommen wäre. Den Beweis kann sie indes nicht führen, zumal auch nach der Behandlung durch die Beklagte noch eine Reihe von Möglichkeiten zum Zahnerhalt bestanden hat (Wurzelbehandlung/Wurzelspitzenresektion).

Rechtlich fehlerhaft ist die von der Kammer vertretene Auffassung, für den Zahnverlust hafte die Beklagte deshalb nicht, weil der Zeuge Dr. G. die Zähne voreilig und damit behandlungsfehlerhaft gezogen habe. Nach der Rechtsprechung des BGH, der der Senat folgt, reicht es zur Unterbrechung des Kausalzusammenhangs nicht aus, dass dem nachbehandelnden Arzt Behandlungsfehler zur Last zu legen sind, selbst wenn diese als grob einzustufen sein sollten. Vielmehr wird der Kausalzusammenhang ganz ausnahmsweise nur dann unterbrochen, wenn entweder eine Behandlung einer Krankheit in Rede steht, die mit der Erstbehandlung in keinem inneren Zusammenhang steht - das ist hier nicht der Fall -, oder wenn der die Zweitschädigung herbeiführende Arzt in außergewöhnlich hohem Maße die an ein gewissenhaftes ärztliches Verhalten zu stellenden Anforderungen außer acht gelassen hat und derart gegen alle ärztlichen Regeln und Erfahrungen verstoßen hat, dass der eingetretene Schaden seinem Handeln haftungsrechtlich-wertend allein zugeordnet werden muss (BGH v. 20.9.1988 - VI ZR 37/88, MDR 1989, 150 = NJW 1989, 767 [768]; v. 6.5.2003 ...

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