Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung - Tarifwechsel
Leitsatz (amtlich)
1. Ein vor dem 1.4.2007 abgeschlossener Krankheitskostenversicherungsvertrag genießt auch dann Bestandsschutz nach § 193 Abs. 3 Satz 3 VVG, wenn die Parteien nach diesem Stichtag einen Tarifwechsel vereinbart haben.
2. Der Basistarif nach § 193 Abs. 5 VVG gibt keinen Mindeststandard für andere Tarife in der Privaten Krankenversicherung vor.
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 19.11.2014; Aktenzeichen 23 O 154/14) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 19.11.2014 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des LG Köln - 23 O 154/14 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger unterhält bei der Beklagten seit 1996 eine private Krankheitskostenversicherung. Dem Vertrag liegen die MB/KK 2009 der Beklagten zugrunde, es gilt der Krankheitskostentarif A 1 1. Der Kläger ist an Multipler Sklerose erkrankt, die sich u.a. in einer Muskelschwäche des linken Beins auswirkt. Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für ein Unterschenkel-Führungssystem Ness L 300 zu übernehmen, das mittels elektrischer Impulse zur Kontraktion der Wadenmuskulatur führt. Das Gerät wurde dem Kläger von seinem behandelnden Orthopäden verordnet. Die Beklagte erklärte sich bereit, die Hälfte der Kosten des Gerätes, die 5.500,- EUR betragen, als freiwillige Leistung zu erstatten. Am 05.08.2014 - nach Vorlage der Rechnung für das Hilfsmittel mit der am 15.05.2014 zugestellten Klageschrift - zahlte die Beklagte 2.750,- EUR an den Kläger.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, eine Einschränkung der Erstattungspflicht nach den Tarifbedingungen sei seit Einführung des Basistarifs in der privaten Krankenversicherung nicht mehr zulässig, es müsse auch in den übrigen Tarifen mindestens der Leistungsstandard erreicht werden, der im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung gewährt werde. Dazu behauptet er, die Kosten für das Unterschenkel-Führungssystem Ness L 300 würden von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen
1. an ihn EUR 5.500,- nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank seit dem 10.06.2013 zu zahlen;
2. an ihn EUR 339,75 zur Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, die Leistungspflicht für Hilfsmittel sei in den Versicherungsbedingungen wirksam auf die dort aufgezählten beschränkt. Hilfsweise hat die Beklagte die medizinische Notwendigkeit des Unterschenkel-Führungssystems bestritten.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das LG hat die Klage nach rechtlichem Hinweis (Bl. 59 d.A.) mit Urteil vom 19.11.2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Erstattungspflicht der Beklagten bestehe nicht, weil das Unterschenkel-Führungssystem nicht in der abschließenden Aufzählung der tariflich erstattungsfähigen Hilfsmittel enthalten sei, insbesondere handele es sich bereits begrifflich nicht um einen Stützapparat. Die Klausel sei wirksam. Entgegen der Auffassung des Klägers sei nach Einführung eines Basistarifs in der privaten Krankenversicherung eine Leistungseinschränkung nicht nur noch bis zu den Leistungsansprüchen aus der Basisversicherung und damit der gesetzlichen Krankenversicherung möglich.
Gegen dieses, seinen Prozessbevollmächtigten am 21.11.2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 17.12.2014 eingelegte und mit einem nach Fristverlängerung um einen Monat am 19.2.2015 eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung des Klägers.
Der Kläger behauptet, bei dem Unterschenkel-Führungssystem handele es sich um ein objektiv medizinisch notwendiges Hilfsmittel, das seine krankheitsbedingt eingeschränkte Gehfähigkeit verbessere und dem - wenngleich es sich dabei lediglich um einen Nebeneffekt handele - auch gewisse therapeutische Effekte zukämen. Mit anderen Hilfsmitteln, insbesondere einer Peronäusschiene, ließe sich eine Mobilität nicht in vergleichbarer Weise erreichen. Der Kläger ist der Ansicht, aus Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers sei das Unterschenkel-Führungssystem sowohl eine Gehhilfe als auch ein Stützapparat im Sinne der Versicherungsbedingungen. Im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 22.4.2015 vertritt er die Auffassung, die gebotene Auslegung des Begriffs des Stützapparates aus Sicht eines ...