Entscheidungsstichwort (Thema)
Rüge der Verletzung des § 329 StPO ausschließlich mit Hilfe einer Verfahrensrüge
Leitsatz (redaktionell)
Die Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO durch rechtsfehlerhafte Annahme der Voraussetzungen für eine Berufungsverwerfung kann nur Gegenstand einer den Vorschriften des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechenden Verfahrensrüge, nicht aber einer Sachrüge sein.
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 24.08.2000) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten wird auf seine Kosten verworfen.
Gründe
I.
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Köln vom 26. Mai 2000 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Haschisch in 6 Fällen in Tateinheit mit unerlaubter Abgabe an Personen unter 18 Jahren zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden. Seine Berufung hat das Landgericht Köln mit Urteil vom 24. August 2000 gemäß § 329 Abs. 1 StPO verworfen; zur Begründung hat es (formularmäßig) festgestellt, der Angeklagte sei ungeachtet der durch Urkunde vom 10.08.2000 nachgewiesenen Ladung zur Hauptverhandlung nicht erschienen und auch nicht in zulässiger Weise vertreten worden. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, die mit der - nicht ausgeführten - Rüge der Verletzung sachlichen Rechts begründet worden ist.
II.
Das statthafte und auch ansonsten in formeller Hinsicht unbedenkliche Rechtsmittel des Angeklagten ist nicht begründet.
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Revisionsbegründung lässt einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht erkennen. Sie führt nicht zur Feststellung einer fehlenden Verfahrensvoraussetzung oder eines vorliegenden Verfahrenshindernisses. Eine weitergehende Rechtskontrolle, insbesondere in Bezug auf die Frage, ob das Landgericht die Bestimmung des § 329 Abs. 1 StPO rechtsfehlerfrei zur Anwendung gebracht hat, ist durch die allein erhobene Sachrüge nicht veranlasst.
1. Nach bislang nahezu einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum führt die Erhebung der allgemeinen Sachrüge gegenüber einem Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 StPO lediglich zu der Prüfung des Revisionsgerichts, ob Prozessvoraussetzungen vorliegen oder Verfahrenshindernisse bestehen (BayObLG NStZ-RR 2000, 307; OLG Düsseldorf JMBI NW 1986, 249; OLG Hamm MDR 1973, 694 m. w. Nachw.; OLG Koblenz DAR 1974, 221; OLG Karlsruhe GA 1981, 91; OLG Saarbrücken VRS 23, 298; OLG Saarbrücken VRS 44, 190 [192]; SenE v. 20.06.1986 - Ss 723/85 - = VRS 71, 371 [372]; SenE v. 13.02.1970 - Ss 433/69 - GA 1971, 27; vgl. ferner Gollwitzer, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 329 Rdnr. 97 m. w. Nachw.; Gössel, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 412 Rdnr. 51; Kuckein, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 4. Aufl., § 344 Rdnr. 31; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 329 Rdnr. 49; KMR-Paulus § 329 StPO Rdnr. 69; AK-Dölling § 329 StPO Rdnr. 47; Rautenberg, in: Heidelberger Kommentar, StPO, § 329 Rdnr. 50; Pfeiffer, StPO, 2. Aufl., § 329 Rdnr. 12; Dahs/Dahs, Die Revision im Strafprozeß, 5. Aufl., Rdnr. 451; zu § 74 Abs. 2 OWiG: SenE v. 28.01.1986 - Ss 826/85 - = VRS 70, 458 [459] = JMBI NW 1986, 226 = VM 1986, 52; SenE v. 17.03.1987 - Ss 118/87 B - = VRS 72, 442 [443]).
Dagegen ist nunmehr das OLG Dresden (NJW 2000, 3295) der Ansicht, dass die Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO auch mit der Sachrüge geltend gemacht werden könne und deshalb ein entsprechender Rechtsfehler vom Revisionsgericht schon auf Grund einer nicht ausgeführten Sachrüge zu berücksichtigen sei.
Diese Auffassung hat früher ebenfalls das OLG Karlsruhe (MDR 1957, 760) vertreten: Ob der Angeklagte i.S.v. § 329 Abs. 1 StPO ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben ist, habe das Revisionsgericht auch bei der Rüge der Verletzung materiellen Rechts nachzuprüfen. Dagegen könne zwar sprechen, dass die Vorschriften des § 329 StPO, welche die Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung bilden, rein prozessualer Natur seien. Die Frage des unentschuldigten Ausbleibens sei aber dem Bereich der Verfahrensvoraussetzungen zuzuordnen; das unentschuldigte Ausbleiben des Angeklagten sei als besondere Verfahrensvoraussetzung anzusehen. Wenn die Sachrüge zulässig erhoben sei, so erwachse hieraus für das Revisionsgericht die Verpflichtung, von Amts wegen nicht nur die allgemeinen Prozessvoraussetzungen, sondern auch die besonderen Voraussetzungen gerade des in der Tatsacheninstanz eingeschlagenen Verfahrens selbst dann festzustellen, wenn diese ausschließlich verfahrensrechtlichen Charakter hätten. Hierher gehöre auch das unentschuldigte Ausbleiben des Angeklagten i.S.v. § 329 StPO. Denn es werde allgemein anerkannt, dass der Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung die Bedeutung einer Verfahrensvoraussetzung zukomme. Sei dies der Fall, so müssten die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise trotz Abwesenheit des Angeklagten verhandelt und entschieden werden kann, gleicher Natur sein.
Die Rechtsprechung ist dieser Sichtweise jedoch nicht gefol...