Leitsatz (amtlich)
1. Erfolgt eine umfangreiche Werbung im Internet für mehrere Arzneiprodukte gleichzeitig, so ist der Sinn und Zweck der Pflichtangaben des § 4 HWG nur gewahrt, wenn die Pflichtangaben oder jedenfalls die Verlinkung auf diese für den Nutzer deutlich erkennbar sind. Dies ist nicht gewährleistet, wenn nach der Werbung zunächst noch ein Ratgeber für bestimmte Erkrankungen folgt, dann in einer weiteren Rubrik "Häufig gestellte Fragen" beantwortet werden und die Pflichtangaben schließlich erst nach dem Impressum, den Nutzungsbedingungen und der Datenschutzerklärung am Ende der Seite erfolgen, zu dem der Nutzer mehrfach durchscrollen muss.
2. Wird dem vertraglichen Unterlassungsschuldner eine Handlung wie das Einstellen einer Werbung in das Internet vorgeworfen, liegt keine natürliche Handlungseinheit mehr vor, wenn die Verletzungshandlung nach erfolgter Abmahnung des Unterlassungsschuldners andauert; in diesem Fall liegt im Handeln trotz Kenntnis der Verletzung ein neuer Verstoß gegen die vertragliche Unterlassungspflicht.
Normenkette
HWG § 4, Abs. 3, S. 1
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 31 O 88/18) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 16.07.2019 (Az. 31 O 88/18) abgeändert, soweit die Klage abgewiesen worden ist und die Beklagte verurteilt,
an den Kläger weitere 5.100 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.04.2018 zu zahlen.
2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 16.07.2019 (Az. 31 O 88/18) wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
4. Dieses Urteil und das genannte Urteil des Landgerichts Köln, soweit es bestätigt worden ist, sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe 25.000 EUR hinsichtlich der Unterlassung und im Übrigen in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 25.000 EUR hinsichtlich der Unterlassung und im Übrigen in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, bei einer Werbung für Arzneimittel die Pflichtangaben in unmittelbarer Nähe zu dem jeweiligen Medikament anzugeben.
Der Kläger ist ein Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder und die Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs gehört. Zu den Mitgliedern des Klägers gehören u.a. diverse Ärzte- bzw. Apothekerkammern und mehr als 100 Unternehmen der Heilmittelbranche. Der Verein verfügt über die notwendige Ausstattung, um diese Aufgaben wahrnehmen zu können.
Die Beklagte vertreibt in Deutschland Arzneimittel an Verbraucher. Zu ihrem Portfolio zählen insbesondere Arzneimittel der "B.-Serie". Die Beklagte ist für den Internetauftritt unter www.b..de verantwortlich.
Mit Unterlassungserklärung vom 15.04.2004 verpflichtete sich die Beklagte gegenüber dem Kläger bei Meidung einer Vertragsstrafe von 5.100 EUR unter anderem dazu, für verschiedene B.-Präparate nicht zu werben, "ohne die Pflichtangaben gemäß § 4 Abs. 3 HWG dem jeweils beworbenen Arzneimittel zugeordnet wiederzugeben". Auf die Unterlassungserklärung sowie die in der Unterlassungserklärung in Bezug genommenen Anlage wird Bezug genommen (Anlagen K4 und K5). Der Kläger nahm diese Unterlassungserklärung ausdrücklich an.
Jedenfalls seit November 2017 warb die Beklagte auf der oben genannten Website für verschiedene B.-Präparate. Die entsprechende Werbeseite ist in insgesamt vier Rubriken aufgeteilt, was optisch durch vier Punkte am linken Rand der Website deutlich gemacht wird. Im ersten, oberen Viertel der Seite befindet sich Werbung für die drei Präparate "B.", "B. Effekt" und "B. Complex". Scrollt der Nutzer zum zweiten Viertel herunter, so findet sich dort Werbung zu weiteren B.-Produkten. Das dritte Viertel der Website enthält einen Ratgeber zur Behandlung von bestimmten Erkrankungen. Im vierten Viertel der Website folgt eine Rubrik, in der unter anderem "Häufige Fragen" beantwortet werden. Scrollt der Nutzer weiter hinunter, so gelangt er zu Links, dem Impressum, den Nutzungsbedingungen und der Datenschutzerklärung. Am Schluss der Website folgen schließlich die Pflichtangaben, nämlich die Bezeichnung der beworbenen Arzneimittel, deren Anwendungsgebiete sowie der Hinweis gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 HWG. Hinsichtlich der genauen Gestaltung der Internetseite wird auf das diese Seite zeigende Video Bezug genommen.
Der Kläger hat vorgetragen, mit der Gestaltung der Website verstoße die Beklagte gegen die abgegebene Unterlassungserklärung sowie gegen § 4 HWG. Die Pflichtangaben seien nicht dem Gesetz entsprechend der jeweiligen Werbung zum Arzneimittel zugeordnet. Der Verbraucher könne die Pflichtangaben nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Werbung wahrnehmen....