Entscheidungsstichwort (Thema)
Konkludente Anordnung zur Fortsetzung der Arbeiten zu erschwerten Ausführungsbedingungen
Leitsatz (amtlich)
1. Hält bei einem Bauvertrag der Auftraggeber den Auftragnehmer trotz erschwerter Ausführungsbedingungen zur Fortsetzung der Arbeiten an, so kann darin eine konkludente Anordnung i.S.d. § 2 Abs. 5 VOB/B liegen, wenn die Erschwernis nicht mehr von dem vertraglichen Leistungsumfang umfasst ist.
Bei der insoweit gebotenen Vertragsauslegung haben die Ausschreibungsunterlagen – insb. die Baubeschreibung – maßgebliches Gewicht.
2. Im Straßenbau (hier: Fahrbahnerneuerung auf einer Brücke) stellt ein außergewöhnlich unebener Betonuntergrund eine Erschwernis dar, die bei entsprechender Anordnung des Auftraggebers zur Fortsetzung der Arbeiten eine Anwendung des § 2 Abs. 5 VOB/B rechtfertigen kann.
Gleiches gilt, wenn sich durch eine Änderung der vertraglich abgesprochenen Verkehrsführung die Ausführungsbedingungen für den Auftragnehmer wesentlich erschweren.
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 04.06.2002; Aktenzeichen 5 O 381/01) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerinnen wird das am 4.6.2002 verkündete Urteil des LG Köln – Az. 5 O 381/01 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Zur Entscheidung über die Höhe des Anspruchs – auch über die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen – wird die Sache an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückverwiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerinnen fordern restlichen Werklohn für Mehrleistungen bei der Ausführung von Bauarbeiten zur Erneuerung des Straßenbelags auf einer Brücke der Bundesstraße … in F. Durch das angefochtene Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, wurde die Klage abgewiesen.
Mit der form- und fristgerecht eingelegten sowie begründeten Berufung verfolgen die Klägerinnen ihr Begehren bezüglich der Nachtragspositionen N 5.4 bis N 5.7 ihrer Schlussrechnung, der geltend gemachten Gutachterkosten sowie bezüglich der beklagtenseits von der Schlussrechnung abgezogenen einprozentigen Mehrwersteuerdifferenz weiter. Sie rügen, das LG habe die nach dem Werkvertrag zwischen den Parteien vorausgesetzte Beschaffenheit des zu erneuernden Straßenbelages fehlerhaft bestimmt bzw. nicht ausreichend berücksichtigt, mit der Folge, dass es eine andere, die Preisgrundlagen verändernde Anordnung i.S.v. § 2 Nr. 5 VOB/B nicht habe feststellen können. Eine Abweichung von dem bei Vertragsschluss vorausgesetzten so genannten Beschaffenheitssoll des auftraggeberseits zur Verfügung gestellten und zu bearbeitenden „Stoffes” beeinflusse indes ebenso wie eine etwaige Änderung der Vorgaben des Leistungsverzeichnisses den qualitativen Leistungsinhalt und damit ggf. das vertragliche Preisgefüge.
Eine solche Abweichung habe vornehmlich darin gelegen, dass die Unebenheitstoleranzen bezüglich des Betonuntergrunds der Brücke teilweise bis zu 400 % überschritten worden seien, wie dies die Beklagte auch anerkannt habe. Dabei habe es sich um ein ungewöhnliches Wagnis gehandelt, von dem mit Rücksicht auf § 9 VOB/A anzunehmen sei, dass es den Klägerinnen nicht habe aufgebürdet werden sollen. Denn die Klägerinnen hätten von einer regelrechten Erstellung des Brückenbauwerkes oder zumindest nicht von einer derart extremen Überschreitung der Toleranzen ausgehen können. Aus der Toleranzüberschreitung habe sich eine Erschwernis des Inhalts ergeben, dass der vertraglich kalkulierte Einsatz eines Baggers zur Entfernung des Belags nicht möglich gewesen sei. Durch die großen Unebenheiten sei das auf dem Betonuntergrund verlegte Glasfasergittergewebe von dem leicht flüssigen Mastix unterlaufen worden, so dass eine Verklebung des Mastix' mit dem Beton nicht nur punktweise im Bereich der Gewebeöffnungen, also bis zu etwa 50 %, sondern in weiten Bereichen auch vollflächig stattgefunden habe. Dadurch sei ein Losreißen und Abheben der steifen Gewebematte in größeren Teilen nicht mehr möglich gewesen. Allein daraus hätten bereits die geltend gemachten Erschwernisse resultiert.
Darüber hinaus hätten die Klägerinnen aber auch deswegen andere als nach den Ausschreibungsunterlagen anzunehmende Verhältnisse vorgefunden, weil die in der Baubeschreibung unter Nr. 3.2 aufgeführte „Trennschicht aus Glasfasergewebe” in einem Glasfasergittergewebe bestanden habe, während die Klägerinnen hätten davon ausgehen müssen, dass es sich dabei um ein Glasvlies handeln würde. Hierzu wiederholen und vertiefen sie im wesentlichen ihre erstinstanzliche Argumentation, der Wortlaut der Baubeschreibung lasse bereits auf eine Verwendung von Glasvlies schließen. Ohne die Einholung des zum Beweis angebotenen Sachverständigengutachtens habe das LG jedenfalls nicht davon ausgehen dürfen, unter „Trennschicht” habe auch die Einlage eines Glasfasergittergewebes verstanden werden können, zumal die Beklagte diesbezüglich die Verwendung einer irreführenden Terminologie eingeräumt habe. Wenn in der Baubeschreibung des weiteren von einem Fräsen ...