Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 7 O 371/18) |
Tenor
Auf die Berufungen der Parteien wird unter Zurückweisung der beiden Rechtsmittel im Übrigen das Urteil der 7. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Aachen vom 12.07.2019 - 7 O 371/18 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.592,77 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.01.2019 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des PKWs VW A 2.0 l mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer B zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten erster Instanz tragen der Kläger zu 46 % und die Beklagte zu 54 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 53 % und die Beklagte zu 47 %.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, sofern nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen des Erwerbs eines vom sog. Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagens des Typs VW A 2.0 TDI im November 2014. Die Beklagte ist die Herstellerin des Fahrzeugs und des in ihm verbauten Dieselmotors vom Typ EA 189.
Der Kläger schloss am 06.11.2014 mit der C GmbH & Co. KG einen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Gebrauchtfahrzeug zum Kaufpreis von 16.300,00 EUR brutto. Das Fahrzeug, das am 07.09.2011 erstzugelassen worden war, hatte zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses eine Laufleistung von 121.394 km.
Das Fahrzeug wurde durch ein Darlehen der Volkswagen Bank finanziert. Das Darlehen war im Jahr 2018 vollständig abgelöst, wobei sich die gezahlten Finanzierungskosten (Zinsen) auf insgesamt 2.170,64 EUR belaufen (Anlagenkonvolut K1, Bl. 241 GA).
Die Steuerung des streitgegenständlichen Fahrzeugmotors war bei Übergabe mit einer Software ausgestattet, die anhand des Fahrverhaltens erkennt, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im realen Fahrbetrieb befindet. Gleichzeitig war die Software so programmiert, dass sie zwei unterschiedliche Betriebsmodi für die Steuerung der Abgasrückführung aufwies: Im Modus 1, der nur beim Durchfahren des neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) auf dem Prüfstand aktiv war, kam es zu einer höheren Abgasrückführung und damit zu einem geringeren Ausstoß von Stickoxiden als im Modus 0, mit dem das Fahrzeug im normalen Straßenverkehr betrieben wurde. Über die Existenz dieser - von der Beklagten als "Umschaltlogik" bezeichneten und vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) als unzulässige Abschalteinrichtung qualifizierten - Software informierte die Beklagte im Vorfeld weder den Kläger noch die zuständigen Genehmigungsbehörden.
Nach Bekanntwerden des Softwareeinsatzes im September 2015 gab das KBA am 15.10.2015 der Beklagten auf, Maßnahmen zu entwickeln und zu ergreifen, um die betroffenen Dieselfahrzeuge in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen. Die Beklagte entwickelte daraufhin ein Software-Update, welches am 29.11.2017 auf das streitgegenständliche Fahrzeug aufgespielt wurde. Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.10.2018 forderte der Kläger die Beklagte außergerichtlich zur Zahlung auf. Der Kilometerstand des streitgegenständlichen Fahrzeugs betrug zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht (24.05.2019) 213.831 km und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (05.03.2020) 229.630 km.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Mit Urteil vom 12.07.2019 (Bl. 986 ff. GA) hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger 4.584,19 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu zahlen und den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 492,54 EUR freizustellen. Ferner hat das Landgericht festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte ergebe sich aus den §§ 826, 31 BGB. Im Wege des Vorteilsausgleichs müsse sich der Kläger bei einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 250.000 km einen Gebrauchsvorteil von 11.715,81 EUR in Abzug bringen lassen. Die Finanzierungskosten seien dem Kläger nicht zuzusprechen, weil sie einen Zeitraum beträfen, in dem er das Fahrzeug genutzt habe und er sich aus Gründen der Vorteilsausgleichung die von ihm gezogenen Nutzungen anrechnen lassen müsse. Einen Zinsanspruch gemäß § 849 BGB hat das Landgericht mit der Begründung abgelehnt, dass keine Sache entzogen oder beschädigt worden sei. Zinsen könne der Kläger erst seit Klagezustellung ge...