Leitsatz (amtlich)

›1. Der Betreiber einer Gaststätte ist im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht dafür verantwortlich, daß Gäste gefahrlos und sicher die Zu- und Abgänge benutzen können, wobei er mit einer gewissen Unaufmerksamkeit und Sorglosigkeit rechnen muß.

2. Ein direkt unterhalb eines zum Eingangsbereich einer Gaststätte gehörenden Sockels angebrachtes, grobmaschiges Giitterrost (3 x 3 cm messende Öffnungen) muß derart gestaltet oder abgesichert sein, daß es mit jeder üblichen Art von Schuhwerk, insbesondere mit Absatzschuhen, gefahrlos betreten werden kann.

3. Erleidet ein Gast infolge einer Versicherungspflichtverletzung des Gaststättenbetreibers einen offenen Schien- und Wadenbeinbruch, so rechtfertigt dies bei einem langwierigen und nicht komplikationslosen, von 6 Operationen und 8 stationären Klinikaufenthalten sowie von Schmerz- und Beweglichkeitseinschränkungen gekennzeichneten Behandlungs- und Heilungsverlauf ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000,00 DM.‹

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 20 O 118/97)

 

Gründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und hat auch in der Sache selbst weit überwiegend Erfolg. Lediglich hinsichtlich eines Teils der begehrten Zinsen führt das Rechtsmittel nicht zur beantragten Verurteilung der Beklagten.

1. Die Beklagten sind gemäß §§ 823 Abs. 1, 847 BGB als Gesamtschuldner (§ 421 BGB) verpflichtet, der Klägerin die ihr anläßlich des Unfalls vom 11.03.1994 entstandenen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen. Sie haben als damalige Eigentümer bzw. Pächter des Restaurants in der Tennishalle die ihnen obliegende Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verletzt. Hinsichtlich der Passivlegitimation wird insoweit Bezug genommen auf die Ausführungen im Senatsbeschluß vom 11.07.1997, welcher in der Beschwerdeinstanz des Prozeßkostenhilfeverfahrens ergangen ist.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, daß die Klägerin am 11.03.1994 nach Verlassen des Restaurants mit ihrem rechten Schuh in dem Gitterrost hängengeblieben ist, welches sich vom Eingang aus gesehen rechts unterhalb des gefliesten Sockels befindet. Bei dem dadurch bewirkten Sturz zog sie sich einen offenen Bruch des rechten Waden- und Schienbeins zu. An diesem Unfallhergang bestehen aufgrund der übereinstimmenden und glaubhaften Angaben der Zeuginnen S. und Sch., in deren Begleitung die Klägerin sich damals befand, keine Zweifel. Es gibt keine Anhaltspunkte, die Anlaß zu Bedenken hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Zeuginnen geben könnten. Soweit die Beklagten behauptet haben, die Klägerin sei an einer ganz anderen Stelle zu Fall gekommen, nämlich am Übergang des den Eingangsbereich bildenden Sockels zu dem durch die Art der Pflasterung besonders gekennzeichneten "Hauptweg", hat die Beweisaufnahme dies nicht ergeben. Die gegenbeweislich benannte Zeugin Of., die am Unfalltag in dem Restaurant der Tennisanlage arbeitete, konnte aus eigener Wahrnehmung nicht angeben, wo sich der Sturz ereignete und die Klägerin anschließend lag, weil sie das Restaurant nicht verlassen hat.

Das Gitterrost bildete angesichts seiner Beschaffenheit und Position entgegen der Ansicht des Landgerichts eine Gefahrenquelle für Besucher der Gaststätte der Tennisanlage, der die Beklagten bis zum Unfallzeitpunkt nicht durch ausreichende Sicherungsmaßnahmen begegnet waren.

Nach anerkannten Rechtsgrundsätzen hat jeder, der Gefahrenquellen schafft und unterhält, die nach Lage der Verhältnisse erforderlichen Vorkehrungen zum Schutze anderer Personen zu treffen (vgl. BGHZ 103, 338, 340; NJW 1975, 108; 1990, 1236; NJW-RR 1989, 219). Diese Sicherungspflicht wird allerdings nicht schon durch jede bloß theoretische Möglichkeit einer Gefährdung ausgelöst. Da eine jeglichen Schadensfall ausschließende Verkehrssicherung nicht erreichbar ist und auch die berechtigten Verkehrserwartungen nicht auf einen Schutz vor allen nur denkbaren Gefahren ausgerichtet sind, beschränkt sich die Verkehrssicherungspflicht auf das Ergreifen solcher Maßnahmen, die nach den Gesamtumständen zumutbar sind und die ein verständiger und umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere Personen vor Schäden zu bewahren. Haftungsbegründend wird demgemäß die Nichtabwendung einer Gefahr erst dann, wenn sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, daß Rechtsgüter anderer Personen verletzt werden können (vgl. BGH LM § 823 (Dc) BGB Nr. 102; VersR 1978, 1163, 1164 f; NJW 1990, 1236, 1237; OLG Karlsruhe VersR 1968, 457).

Entsprechend diesen sich allgemein aus der Verkehrsöffnung ergebenden Sicherungspflichten sind die Eigentümer und Betreiber von Gastwirtschaften, Hotels, Sportanlagen u. ä. Betrieben dafür verantwortlich, daß die Gäste und Benutzer ohne Gefahr für Körper, Gesundheit und Eigentum die Räume und Nebenräume sowie die Zu- und Abgänge, insbesondere die zuführenden Wege sicher benutzen können (vgl. OLG Köln, 2. Zivilsenat, NJW-RR 1996, 276 = OLG-Report 1995, 303 f; OLG Köln...

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