Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 28 O 478/15) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 13.07.2016 (28 O 478/15) in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 22.08.2016 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Beklagten in Ziff. 3 und 4 des Tenors der landgerichtlichen Entscheidung dahingehend abgeändert, dass es wie folgt lauten muss: "3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen."
2. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Kläger zu 17 % und die Beklagte zu 83 %
Die Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz tragen der Kläger zu 13 % und die Beklagte zu 87 %
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich des Unterlassungstenors zu Ziff. 1 der angegriffenen Entscheidung nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000 EUR. Im Übrigen können beide Parteien die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger wurde 1989 vom Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen, für den er zumindest bis 2012 arbeitete, als Mitarbeiter angeworben. Im Januar 2001 explodierte in einem Lebensmittelgeschäft in der Qgasse in L ein Sprengsatz, wodurch eine Person schwer verletzt wurde. Zu diesem Anschlag bekannte sich später der NSU. Anhand der Angaben von Zeugen hatte die Polizei seinerzeit ein Phantombild angefertigt, zu dem die ehemalige Präsidentin des Verfassungsschutzes NRW, Frau L2, im Jahr 2012 einen Aktenvermerk verfasste, in dem es heißt, dass das gefertigte Phantombild Ähnlichkeiten mit dem Kläger aufweise. Die Beklagte, eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, berichtete im zeitlichen Zusammenhang mit dem der fortlaufenden öffentlichen Berichterstattung unterliegenden sog. NSU-Prozess in München in ihren Fernsehsendungen "B" vom 15.06.2015 und 19.06.2015, "M" vom 15.06.2015 und 19.06.2015 sowie "X" vom 21.06.2015 über Ermittlungen zu dem oben genannten Sprengstoffanschlag und zeigte im Laufe der Sendungen jeweils u.a. ein Portraitfoto des Klägers, welches zuvor - nicht gepixelt - auf der Internetseite www.B.de veröffentlicht worden war, mit nunmehr teilweise geschwärzter/gepixelter Gesichtspartie des Klägers. In den Sendungen vom 15.06.2015 und der Sendung vom 21.06.2015 nannte sie dabei den Namen des Klägers in der Form "I". Wegen der weiteren Einzelheiten der fünf Fernsehsendungen wird auf deren Wiedergabe auf die CDROM in Anlage 2 (AH) verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des tatsächlichen Vorbringens der Parteien und der erstinstanzlichen Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil (Bl. 125 ff. d.A.) in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 22.08.2016 (Bl. 161 d.A.) Bezug genommen. Die Berichterstattung im "M2" (Anlage B 3) mit der Überschrift "K: Hatte der NSU Helfer beim Anschlag in der Qgasse?", in dem der Kläger ebenfalls mit "I" und "I2" bezeichnet wird, wurde auf Betreiben des Klägers inzwischen gelöscht.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 13.07.2016 die Beklagte verurteilt, es bei Vermeidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, letztere zu vollziehen an dem Intendanten der Beklagten, zu unterlassen, (a) über den Kläger im Zusammenhang mit dem Sprengstoffanschlag in der Qgasse in L aus dem Jahr 2000/2001 unter Angabe des Namens ("I") und der Verwendung seiner Bildnisse identifizierend zu berichten, jeweils wenn dies geschieht, wie in den in Anlage 2 beigefügten Fernsehsendungen "B" vom 15.06.2015 und/oder "M" vom 15.06.2015 und/oder "X" vom 21.6.2015 und (b) über den Kläger im Zusammenhang mit dem Sprengstoffanschlag in der Qgasse in L aus dem Jahr 2000/2001 unter Verwendung seiner Bildnisse identifizierend zu berichten, jeweils wenn dies geschieht, wie in den in Anlage 2 beigefügten Fernsehsendungen "B" vom 19.06.2015 und/oder "M" vom 19.06.2015. Es hat die Beklagte ferner verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosen i.H.v. 2.348,94 EUR freizustellen und an den Kläger zudem eine Geldentschädigung in Höhe von 15.000,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2016 zu zahlen. Das Landgericht sah in den Berichterstattungen identifizierende Verdachtsberichterstattungen. Es fehle bereits an einem Mindestbestand an Beweistatsachen, der für den Wahrheitsgehalt der Informationen spreche und ihr damit erst Öffentlichkeitswert verleihe. Der Aktenvermerk als behördeninterne geheime Verschlusssache sei keine privilegierte Quelle, auf die die Beklagte sich habe verlassen dürfen. Aber auch nach dem Inhalt des Vermerks hätten sich schon keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Täterschaft ergeben. Die Vorberichterstattung an anderer Stelle sei allenfalls bei der Bemessung der Geldents...