Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftungsrecht. Wohnraum. Einweisung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Eigentümer, dessen Haus von der Gemeinde zur Vermeidung drohender Obdachlosigkeit des zur Räumung verurteilten Mieters für dessen Wiedereinweisung beschlagnahmt worden ist, kann gemäß § 39 Abs. 1 lit. a OBG NW nicht nur für die Dauer der Beschlagnahme, sondern auch für die sich daran anschließende weitere Nutzung der Wohnung durch die eingewiesenen Personen eine Entschädigung beanspruchen, wenn feststeht, daß es ohne die Einweisung zur Räumung gekommen wäre.
2. Der Anspruch aus § 39 Abs. 1 lit. a OBG NW umfaßt jedoch nicht die Kosten der Räumung, wenn sich durch die Beschlagnahme die Räumung nur verzögert hat; es fehlt insoweit an dem erforderlichen Kausalzusammenhang
3. Die Räumungskosten kann der Eigentümer auch nicht gemäß § 839 BGB aus dem Gesichtspunkt der Nichterfüllung eines Folgenbeseitigungsanspruchs ersetzt verlangen, da bei einer Wiedereinweisung des zur Räumung verurteilten Mieters entgegen einer in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Auffassung ein auf Exmittierung gerichteter Folgenbeseitigungsanspruch nicht besteht. Daß der Mieter den unmittelbaren Besitz an der Wohnung innehat, ist nämlich nicht durch die Wiedereinweisung herbeigeführt worden, so daß die Gemeinde auch nicht zur Beseitigung dieses Zustands verpflichtet ist.
Normenkette
BGB § 839; OBG NW § 39
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 26.01.1993; Aktenzeichen 5 O 244/92) |
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das am 26.1.1993 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 5 O 244/92 – unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt: Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 7.066,56 DM nebst 11 % Zinsen aus 1.905,11 DM seit dem 18.11.1991, aus 5.033,62 DM seit dem 5.4.1992 und aus 127,83 DM seit dem 24.8.1992 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden den Klägern zu 37 % und der Beklagten zu 63 %, die Kosten des Berufungsverfahrens den Klägern zu 45 % und der Beklagten zu 55 % auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Kläger nehmen die beklagte Stadt auf Entschädigung wegen der Folgen einer Obdachloseneinweisung in Anspruch.
Die Kläger erwarben im Dezember 1990 im Wege der Zwangsversteigerung das Haus G.straße 15 in K. Gegen den Voreigentümer betrieben sie im Frühjahr 1991 die Räumungsvollstreckung. Die vom Gerichtsvollzieher auf den 3.6.1991 anberaumte Räumung unterblieb, da die Beklagte die Beschlagnahme und die Wiedereinweisung des Voreigentümers anordnete. Mit Ordnungsverfügung vom 11.6.1991 befristete sie die Dauer der Maßnahme bis zum 1.9.1991. Nach Ablauf der Frist setzten die Kläger die Vollstrekkung fort und erreichten am 18.11.1991 die Räumung durch den Gerichtsvollzieher.
Die Beklagte hat an die Kläger für die Dauer der Beschlagnahme vom 3.6. bis zum 1.9.1991 eine Entschädigung in Höhe von 4.666,56 DM gezahlt. Die von den Klägern geforderte weitere Entschädigung für die Zeit bis zur Räumung und die Erstattung der Räumungskosten hat sie abgelehnt. Mit ihrer Klage haben die Kläger für die Zeit der Beschlagnahme unter Zugrundelegung höherer Miet- und Nebenkosten noch eine restliche Entschädigung in Höhe von 1.444,04 DM, eine weitere Entschädigung für die Zeit bis zur Räumung in Höhe von 5.417,10 DM, ferner die Erstattung der Räumungskosten in Höhe von 3.753,88 DM sowie Anwaltskosten in Höhe von 532,95 DM, insgesamt 11.147,97 DM, beansprucht.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 2.032,94 DM stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Es hat den Klägern damit nur die von ihnen geforderte höhere Entschädigung für die Zeit der Beschlagnahme und einen Teil der geltend gemachten Anwaltskosten zuerkannt. Die Klageabweisung hat es im wesentlichen mit folgenden Erwägungen begründet: Der nach Ablauf der Beschlagnahmefrist entstandene weitere Nutzungsausfall sei nicht Folge der Beschlagnahme, sondern der gerichtlichen Anordnungen, die der Räumungsschuldner auf seine Rechtsbehelfe erwirkt habe. Hierfür treffe die Beklagte keine Verantwortung. Hinsichtlich der Räumungskosten fehle es an dem erforderlichen Kausalzusammenhang, da diese Kosten auch ohne die Beschlagnahme entstanden wären.
Mit ihrer Berufung begehren die Kläger über die Verurteilung hinaus noch eine restliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 5.033,62 DM und Ersatz der Räumungskosten. Ihre weitergehende, auf Erstattung von Anwaltskosten in Höhe von 551,33 DM gerichtete Berufung haben sie in der mündlichen Verhandlung wieder zurückgenommen. Die Beklagte tritt der Berufung entgegen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache nur teilweise Erfolg.
I.
Den Klägern steht auch für die Zeit nach der Beschlagnahme eine Nutzungsentschädigung zu.
Der Anspruch ergibt sich aus § 39 Abs. 1 a OBG. Hiernach hat die Ordnungsbehörde für Maßnahmen, die sie nach § 19 OBG gegen einen sogenannten Nichtstörer gerichtet h...