Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechenbarkeit neuer Schulden bzw. nicht eheprägender oder nicht ehebedingter Schulden
Leitsatz (amtlich)
Auch nicht ehebedingte bzw. eheprägende (Neu)Schulden des Unterhaltsverpflichteten können bei der Ermittlung des Unterhaltsanspruchs berücksichtigt werden. Dies gilt dann, wenn sie seine Leistungsfähigkeit nachhaltig verschlechtern. Dies liegt darin begründet, dass auch bei Fortbestand der Ehe die wirtschaftliche Situation der Eheleute mit diesen Schulden belastet worden wäre. Andererseits ist aber für die Anrechenbarkeit neuer Schulden bzw. nicht eheprägender oder nicht ehebedingter Schulden dahingehend eine Ausnahme zu machen, dass eine Anrechenbarkeit der Schulden nur dann gegeben ist, wenn sie in unterhaltsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entstanden sind.
Hiervon kann nach Auffassung des Senates nicht z.B. ausgegangen werden, wenn der Unterhaltsschuldner ohne weiteres in der Lage war, aus einer Erbschaft die angefallenen Erbschaftssteuern zu begleichen, dies hat er nicht getan hat und stattdessen die Erbschaft zumindest teilweise für eigene Zwecke verbraucht.
Normenkette
BGB § 1361
Verfahrensgang
AG Bonn (Urteil vom 12.01.2007; Aktenzeichen 45 F 124/06) |
Tenor
I. Auf die Berufungen der Parteien wird unter teilweiser Zurückweisung der Berufung des Beklagten und unter Abweisung seiner "Hilfswiderklage" sowie der Klage im Übrigen das am 12.1.2007 verkündete Urteil des AG - FamG - Bonn - 45 F 124/06 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin
1. für die Zeit von März 2006 bis einschließlich Mai 2006 Trennungsunterhalt i.H.v. 2.379 EUR (= 3 × 793 EUR) nebst Verzugszinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.4.2006 (mittlerer Zinslauf),
2. von Juni 2006 bis einschließlich Dezember 2006 monatlichen Trennungsunterhalt i.H.v. 793 EUR sowie
3. ab Januar 2007 monatlichen Trennungsunterhalt i.H.v. 280 EUR zu zahlen, und zwar rückständigen Unterhalt sofort und zukünftigen Unterhalt jeweils im Voraus bis zum 3. Kalendertag eines jeden Monats.
II.1. Für die erste Instanz verbleibt es bei der amtsgerichtlichen Kostenentscheidung im angegriffenen Urteil.
2. Auch die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 20 % und der Beklagte zu 80 %.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Berufung der Klägerin hat nach teilweiser Berufungsrücknahme im Termin zur mündlichen Verhandlung in vollem Umfange Erfolg. Dagegen erweist sich die Berufung des Beklagten zum Teil als erfolglos, da er für die Zeit ab Januar 2007 lediglich eine Herabsetzung des ausgeurteilten monatlichen Unterhaltes von 425 EUR auf 280 EUR verlangen kann und im Übrigen seine Berufung, die auf Klageabweisung in vollem Umfang und widerklagend auf Rückzahlung zuviel gezahlten Unterhaltes (vom 1.5.2006 bis 31.12.2006 monatlich 793 EUR und ab Januar 2007 monatlich 425 EUR) gerichtet war, ebenso erfolglos bleiben musste wie die Klage, soweit mit ihr noch mehr als 280 EUR monatlich ab 1.1.2007 gefordert wurde.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Trennungsunterhaltsanspruch in der Zeit von März 2006 bis einschließlich Dezember 2006 i.H.v. monatlich 793 EUR sowie ab Januar 2007 i.H.v. monatlich 280 EUR gem. § 1361 BGB zu.
In diesem Umfang ist der Beklagte leistungsfähig und die Klägerin bedürftig.
Zu den Einkommensverhältnissen der Parteien ist im Hinblick auf deren Berufungsvorbringen Folgendes auszuführen:
A. Einkommen des Beklagten
I. Erwerbseinkommen
1. Im Jahre 2006 ist entsprechend den amtsgerichtlichen und von den Parteien nicht angegriffenen Feststellungen von einem Nettoerwerbseinkommen des Beklagten von monatlich 1.961,52 EUR auszugehen.
2. Im Jahre 2007 beträgt das Erwerbseinkommen unstreitig 1.653,40 EUR. Dem Erwerbseinkommen des Beklagten sind derzeit keine fiktiven Steuervorteile hinzuzurechnen, die aus nicht in Anspruch genommenen Steuervorteilen bezüglich des nicht durchgeführten Realsplittings bei Eintragung eines entsprechenden Steuerfreibetrages entstanden wären. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. FamRZ 2007, 793 ff., 797 Ziff. 40-43), der der Senat folgt, ist es dem Beklagten nicht zumutbar, vor Abschluss des Verfahrens sich einen entsprechenden Steuerfreibetrag eintragen zu lassen, da er die gesamte Unterhaltsverpflichtung in Abrede stellt und widerklagend darüber hinaus Rückzahlung bereits gezahlter Unterhaltsbeträge verlangt. Würde er nämlich in vorliegendem Verfahren unterliegen, müsste er die bereits erlangten Steuervorteile wieder zurückzahlen.
Andererseits wäre vom Einkommen des Beklagten selbst dann nicht die geringfügige Steuernachforderung i.H.v. 195,29 EUR gemäß Steuerbescheid vom 4.9.2007 für das Jahr 2006 einkommensmindernd in Abzug zu bringen, wenn dieser Vortrag berücksichtigt würde. Erklärtermaßen sieht der Beklagte diesen Steuerbescheid nur als vorläufig an und hat bereits angekündigt, dass er für den Fall der Verurteilung die Unterhaltszahlungen steuermindernd geltend mach...