Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 25 O 84/18) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 6.5.2020 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 25 O 84/18 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 16.553,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.773,60 EUR seit dem 22.9.2015 und aus weiteren monatlich bis 20.12.2017 gezahlten je 591,20 EUR, jeweils gerechnet ab dem 20. des jeweiligen Monats, zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 60 % und die Beklagte zu 40 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin, bei der der niedergelassene Kinderarzt Dr. A haftpflichtversichert war, nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht ihres Versicherungsnehmers im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs in Anspruch.
Bei dem am 00.00.2002 geborenen Kind B C (im Folgenden: Patientin) traten am Ostermontag, dem 21.4.2003, Erbrechen und Durchfall auf. Es wurde von seiner Mutter nach 23.00 Uhr in der Ambulanz der Universitätskinderklinik D vorgestellt. Der Arzt Dr. E diagnostizierte nach körperlicher Untersuchung sowie einer Bestimmung der Blutgase und der Serumelektrolytkonzentration, die normale Werte ergab, einen Magen-Darm-Infekt und verordnete InfectoDiarrstop (Elektrolytlösung) und Perenterol sowie die Gabe von Tee. Bei Verschlechterung sollte eine Wiedervorstellung erfolgen. Die Mutter der Patientin suchte am 22.4.2003 mit ihrem Kind vormittags den Versicherungsnehmer der Klägerin auf, übergab den Arztbericht von Dr. E und berichtete ausweislich seiner Dokumentation Folgendes: "Seit gestern Erbrechen, hält nichts bei sich, gestern 2 mal Durchfall, heute noch kein Durchfall aber schon erbrochen, kein Fieber." Nach körperlicher Untersuchung injizierte und verordnete der Versicherungsnehmer der Klägerin Vomex und Paspertin. Ferner händigte er der Mutter der Patientin ein von ihm verfasstes Merkblatt über den Magen-Darm-Infekt bei Säuglingen und Kleinkindern aus. Am Vormittag des 24.4.2003 erhielt die Mutter der Patientin in der Praxis des Versicherungsnehmers der Klägerin ein Wiederholungsrezept, das sich auf die bereits von Dr. E verordneten Medikamente bezog. In den Behandlungsunterlagen heißt es "isst seit gestern nicht mehr, trinkt aber viel Tee, Diät halten, abwarten, ggf. heute nachmittag zurück melden."
Am 24.4.2003 nach 16.00 Uhr brachte die Mutter der Patientin, die wie bei den vorausgegangenen Arztbesuchen von der Großmutter begleitet wurde, ihr Kind in die Praxis der Beklagten, einer Kinderärztin. In der Karteikarte sind "Magen-Darm-Virus", die Anamnese, insbesondere dass das Kind jetzt nicht trinke, und der Befund der Untersuchung vermerkt. Darauf folgt die Eintragung: "Versuch m. strenger Diät z.B. Tee, HN [Heilnahrung] mind 700 - 1000 ml bis abends, sonst Klinik, Aufklärung über die Notwendigkeit KH, Oma meint bei ihr würde Kind gut trinken, E mündlich abgelehnt." Am Morgen des 25.4.2003 fanden zwei Telefonate zwischen der Mutter der Patientin und der Beklagten statt, deren genauer Inhalt streitig ist. In der Karteikarte der Beklagten ist zu den beiden Gesprächen als erteilter Hinweis vermerkt: "(...) Klinik oder zumindest Wv Arzt" und "sofort Klinik oder Wv".
Am Vormittag des 25.4.2003 suchte die Mutter der Patientin die Universitätskinderklink D mit ihrem Kind auf. Die Patientin wurde jedenfalls ab 10.40 Uhr auf der Intensivstation behandelt. Die Ärzte stellten eine schwerste hypertone Dehydratation/Toxikose fest. Die Patientin leidet seitdem an einer Hirnschädigung. Insbesondere kann sie bei erheblichen sonstigen motorischen Störungen nicht selbständig laufen und weist eine allgemeine und sprachliche Entwicklungsverzögerung auf.
In dem Vorprozess 25 O 263/06 LG Köln hat die Patientin den Versicherungsnehmer der Klägerin und die Beklagte auf ein Schmerzensgeld von mindestens 500.000 EUR, Ersatz materieller Schäden und Feststellung der Ersatzpflicht in Anspruch genommen. Das Landgericht hat das Gutachten von Prof. Dr. F vom 11.3.2007 (Bl. 109 ff. der Beiakte) nebst Ergänzung vom 11.1.2008 (Bl. 220 ff. der Beiakte) eingeholt und den Sachverständigen angehört (Bl. 371 ff. der Beiakte). Ferner hat es die Beklagte und die Mutter der Patientin G C angehört und die Zeugen H C (Großmutter), I C (Großvater) und J K vernommen (Bl. 371 ff. der Beiakte). Daraufhin hat es durch Grund- und Teilurteil vom 12.11.2008 die Klage, soweit Leistung begehrt wurde, gegenüber dem Versicherungsnehme...