Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 4 O 81/18) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten und des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 12.10.2018 (4 O 81/18) teilweise abgeändert und insgesamt klarstellend wie folgt neugefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.341,88 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent seit dem 09.06.2012 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs der Marke A Typ B 2,0 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer XX1ZXX2HXXAOXX42X zu zahlen.
Die Beklagte wird zudem verurteilt, an den Kläger 1.100,51 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.06.2018 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehenden Berufungen der Beklagten und des Klägers werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 20% und die Beklagte zu 80%. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte zu 85% und der Kläger zu 15%.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313a Abs. 1 S.1, 540 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II. Sowohl die zulässige Berufung der Beklagten als auch die zulässige Berufung des Klägers haben jedenfalls teilweise Erfolg.
1. Im Grundsatz zu Recht hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger den von diesem aufgewandten Kaufpreis Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des vom Kläger am 08.06.2012 erworbenen, von der Beklagten produzierten Personenkraftwagens zu erstatten. Auch nach Auffassung des Senates hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch aus §§ 826, 31 BGB auf Schadensersatz in Höhe des von ihm aufgewandten Kaufpreises in Höhe von 28.100,- EUR abzüglich einer Nutzungsentschädigung und Zug um Zug gegen Übereignung des von ihm erworbenen Personenkraftwagens, denn die Beklagte hat dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt.
a. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (BGH, Urteil vom 09.07.2004 - II ZR 217/03 -, NJW 2004, 2668 ff., Urteil vom 04.06.2013 - VI ZR 288/12 -, NJW-RR 2013, 1448 ff., Urteil vom 15.10.2013 - VI ZR 124/12 -, NJW 2014, 1380 ff., Urteil vom 20.11.2012 - VI ZR 268/11 -, NJW-RR 2013, 550 ff.- Urteil vom 19.11.2013 - VI ZR 336/12 -, NJW 2014, 383 ff.). Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urteil vom 19.10.1987 - II ZR 9/87 -, BGHZ 102, 68 ff., Urteil vom 09.07.2004 - II ZR 217/03 -, a.a.O., Urteil vom 15.10.2013 - VI ZR 124/12 -, a.a.O., Urteil vom 19.11.2013 - VI ZR 336/12 -, a.a.O.).
Bei Anlegung dieses Maßstabes fällt der Beklagten ein sittenwidriges Verhalten zurechenbar zur Last, da der von ihr produzierte und vertriebene Personenkraftwagen, den der Kläger am 08.06.2012 erworben hat, mit einer Software zur Motorsteuerung ausgestattet war, die im Betriebsmodus 1 auf dem Prüfstand zu einer höheren Abgasrückführungsquote als im Betriebsmodus 0 im Straßenverkehr führte und deren Einsatz die Beklagte weder bei Erlangung der Typengenehmigung für das Fahrzeug noch im Rahmen des Vertriebs offengelegt hat. Bereits mit Rücksicht auf die daraus folgende Rechtsunsicherheit für die Typengenehmigung und die Betriebszulassung der entsprechend ausgerüsteten Fahrzeuge ist hierin nämlich ein gravierender Mangel der entsprechend ausgestatteten Fahrzeuge zu sehen, ohne dass es darauf ankommt, ob es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung gerade im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 vom 20.06.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge handelt. Hinzu kommt, dass die Mitarbeiter der Beklagten die mit der manipulativ wirkenden Software ausgerüsteten Motoren des Typs EA 189 den Vertragshändlern der Beklagten gerade zum Zweck der Weiterveräußerung überließen, also damit rechnen mussten und zur Überzeugung des Senats auch tatsächlich damit rechneten, dass die so ausgerüsteten Fahrzeuge ohne jeglichen Hinweis auf die Erwirkung der Typengenehmigung unter Einsatz einer manipulativ wirkenden Software mit zwei Betriebsmodi weiterveräußert werden würden. Aus der Verheimlichung des Einsatzes der Software sowohl gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt und den übrigen beteiligten Stellen als auch gegenüber den potentiellen Kunden ergibt sich schließlich mit hinreichender Sicherheit, dass ...