Leitsatz (amtlich)
Dem Restschadensersatzanspruch nach § 852 Satz 1 BGB steht nicht entgegen, dass der Kläger im Rahmen des verjährten Hauptanspruchs nur als sogenannten kleinen Schadensersatz den Betrag verlangt hat, um den er aufgrund eines sittenwidrigen vorsätzlichen Verhaltens des Schädigers einen Kaufgegenstand - gemessen an dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung - zu teuer erworben hat.
Normenkette
BGB §§ 826, 852
Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 12 O 328/21) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 12. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Aachen vom 17.02.2022 (12 O 328/21) dahin abgeändert, dass die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt wird, an die Klägerin 4.080,81 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2022 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 46 % und die Beklagte zu 54 %.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
(abgekürzt gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1, § 540 Abs. 2, § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO)
Die Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg.
I. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch dem Grunde nach gegen die Beklagte jedenfalls nach § 826 i.V.m. § 852 Satz 1 BGB zu.
1. Zu den Anspruchsvoraussetzungen des § 826 BGB gilt:
a) Durch das Inverkehrbringen des mit dem Motor EA189 versehenen Fahrzeugs, bei dem die sog. Umschaltlogik aktiviert war, schädigte die Beklagte den Kläger in sittenwidriger Weise. Wegen der Begründung im Einzelnen nimmt der Senat Bezug auf die umfangreichen Ausführungen des Bundesgerichtshofs in dessen Urteil vom 25.05.2020 (VI ZR 252/19, juris), die vorliegend gleichermaßen Geltung beanspruchen, insbesondere auch im Hinblick auf die der Entscheidung zugrunde zu legenden tatschlichen Umstände und die subjektiven Vorstellungen bei den im Hause der Beklagten für die Motorenentwicklung verantwortlichen Personen.
b) Aufgrund seiner sittenwidrigen Schädigung konnte der Kläger beanspruchen, von der Beklagten so gestellt zu werden, als hätte er den Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug nicht geschlossen. Ebenso konnte er sich allerdings auch - wovon er hier Gebrauch gemacht hat - dafür entscheiden, den Kaufgegenstand zu behalten und als sogenannten kleinen Schadensersatz den Betrag zu verlangen, um den er diesen gemessen an dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung zu teuer erworben hatte (vgl. BGH, Urteil vom 06.07.2021 - ZR 40/20, juris Rn. 15).
2. Der Anspruch nach § 826 BGB ist allerdings - jedenfalls soweit sich der Kläger zur Begründung seiner Klage auf das Vorhandensein einer Abschalteinrichtung in Form der sogenannten Umschaltlogik bzw. Prüfstandserkennung stützt - aufgrund des von der Beklagten erhobenen Verjährungseinwands nicht mehr durchsetzbar. Spätestens mit Erhalt des seitens der Beklagten verschickten Informationsschreibens war der Kläger im Jahr 2016 sowohl in allgemeiner Kenntnis über den sogenannten Dieselskandal als auch im Bilde über die konkrete Betroffenheit seines Fahrzeugs. Ihm war daher bereits im Jahr 2016 eine Klageerhebung zumutbar (vgl. BGH, Urteil vom 21.02.2022 - VIa ZR 8/21 - juris Rn. 33 ff.; vom 10.02.2022 - VII ZR 365/21 - juris Rn. 17 ff.). Der Lauf der dreijährigen Regelverjährungsfrist (§ 195 BGB) begann mithin gemäß § 199 Abs. 1 BGB am 31.12.2016 und endete bereits vor Klageerhebung mit Ablauf des 31.12.2019.
Ob in Bezug auf die Problematik des sogenannten Thermofensters eine andere verjährungsrechtliche Bewertung angezeigt ist, bedarf keiner Entscheidung. Der sich vorliegend aus § 852 BGB ergebende Restschadensersatzanspruch ist in gleicher Weise zu berechnen, wie der aus § 826 BGB folgende Schadensersatzanspruch (s.u.), so dass sich an der Höhe des klägerischen Anspruchs keine Änderungen ergeben.
3. Auch die weiteren Voraussetzungen des Restschadensersatzanspruchs liegen vor, da die Beklagte auf Kosten des Klägers einen ihr durch ihr sittenwidriges Verhalten zugeflossenen Vermögensvorteil im Sinne von § 852 BGB erlangt hat.
a) Die Beklagte hat - durch einen Vermögensabfluss auf Seiten des Klägers - einen Vermögensvorteil im Sinne von § 852 Satz 1 BGB erlangt.
Als erlangtes Etwas im Sinne des § 852 Satz 1 BGB ist jeder dem Ersatzpflichtigen zugeflossene Gegenstand anzusehen (Foerster, VuR 2021, 180, 181; BeckOGK BGB/Eichelberger § 852 Rn. 17; vgl. auch BGH, Urteil vom 13.10.2015 - II ZR 281/14, NJW 2016, 1083 Rn. 30 und 33; Urteil vom 17.12.2020 - VI ZR 739/20, NJW 2021, 918 Rn. 29), so etwa auch das Entgelt aus einem Kaufvertrag anzusehen. Die Beklagte hat aufgrund des vom Kläger ungewollt abgeschlossenen Vertrags einen Vermögensvorteil in Form eines Anspruchs gegen ihren Vertragshändler erlangt, der das Fahrzeug an den Kläger verkauft hat. Dieser Vermögensvorteil hat sich gemäß § 818 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB nach Erfüllung dieser Forderung durch den Händler an dem erlangten En...